Olga Ehrenhaft-Steindler


Olga Ehrenhaft-Steindler

Bildarchiv, Zentralbibliothek für Physik in Wien





Olga Ehrenhaft–Steindler war die erste Frau Österreichs, die 1903 an der Universität Wien in Physik zum Doktor der Philosophie promoviert wurde. Nach ihrer Promotion widmete sie sich der Lehrtätigkeit.


Kindheit und Studium
Wissenschaftliche Laufbahn



Kindheit und Studium:

Olga Steindler wurde am 28. Oktober 1879 in Wien geboren.[1] Sie war die Tochter von Dr. Leopold Steindler, einem Wiener Advokaten, und Caroline Steindler, geborene Goldberg.[2] Ihre Eltern kamen aus Graslitz (Sudetendeutschland).

Erst nach dem Tod des Vaters übersiedelte die Mutter endgültig mit ihren vier Kindern nach Wien.[3]

Nach Absolvierung der Volksschulzeit besuchte Olga Steindler das Mädchengymnasium des Vereins für erweiterte Frauenbildung. Ihr weiterer Bildungsweg war mit Komplikationen verbunden, da keine Möglichkeit bestand, die Matura in Wien abzulegen. Zu dieser Zeit war es für Frauen, wie bereits im vorigen Kapitel erläutert, nicht möglich, auf österreichischem Gebiet der Donaumonarchie zu maturieren. Deshalb maturierte sie am 7. Juli 1899, zwanzigjährig, in Prag am Kleinseitener Gymnasium. Nach der Matura kehrte sie nach Wien zurück, wo nun auch Frauen zum Studium an der Philosophischen Fakultät zugelassen waren. Ab dem Wintersemester 1899/1900 war Olga Steindler als ordentliche Hörerin der philosophischen Fakultät für die Fächer Physik und Mathematik inskribiert.[4] Olga Steindler war die erste Frau, die Physik an der Universität Wien studierte. 

Ihre Dissertation „Über die Temperaturkoeffizienten einiger Jodelemente“[5] verfasste sie bei Prof. Franz Serafin Exner am II. Physikalischen Institut. In ihrer Arbeit wurde die Gültigkeit der Helmholtzschen–Gleichung für viele verschiedene Elemente überprüft. Am 22. Mai 1903 wurde ihre Promotion an der Wiener Universität in Physik bekannt gegeben.[6] Im selben Jahr legte sie die Lehramtsprüfung für Mittelschulen ab.

Olga Steindler war die erste Frau, die an der Wiener Universität in Physik promovierte.



[1] Rigorosenakt, Nr. 1579, Archiv der Universität Wien.

[2] Degener, Hermann A. L. (Hrsg.): Wer ist’s? Unsere Zeitgenossen, (Wien, 193510), 345.

[3] Bischof, Brigitte: Olga Steindler (1879 – 1933), Physikerinnen der Universität Wien – Portrait. In: Koryphäe, Mai 2001, Nr. 29, 4f.

[4] Rigorosenakt, Nr. 1579, Archiv der Universität Wien.

[5] Rigorosenakt, Nr. 1579, Archiv der Universität Wien.

[6] Rigorosenakt, Nr. 1579, Archiv der Universität Wien.


Wissenschaftliche Laufbahn:

Nach Abschluss ihres Studiums wirkte sie eine Zeit lang als Vortragende im Verein für Abhaltung von wissenschaftlichen Lehrkursen für Frauen und Mädchen „Athenäum“ in Wien. Dort hielt sie unter anderem Vorträge über Physikalische Experimentierübungen und auch über die Elektrizität und ihre Anwendung.

1906 veröffentlichte sie eine wissenschaftliche Arbeit zur „Farbempfindlichkeit des normalen und des farbenblinden Auges“.[1]

Sie lehrte auch an einem Wiener Mädchengymnasium. Nach einem Jahr als Professorin gründete sie 1907 das öffentliche Mädchengymnasium im zweiten Wiener Gemeindebezirk und gleichzeitig die erste private Handelsakademie für Mädchen in der Schönborngasse. Die Handelsakademie ging in den Besitz eines Vereins über. Später wurde sie unter der Leitung der Wiener Kaufmannschaft weitergeführt. Olga Steindler wurde Direktorin in der Handelsakademie. Als Schuldirektorin wurde sie in den Staatsdienst übernommen.[2] Sie war es auch, die die ersten Verkäuferschulen in Österreich einführte.[3] Der von ihr gegründete Schultyp einer Handelsakademie war mustergebend fürs Ausland.

Im Juli 1908 heiratete Olga Steindler den Wiener Gelehrten Professor Doktor Felix Ehrenhaft (1879 – 1952). Felix Ehrenhaft, ein angesehener Physiker, war ein ehemaliger Studienkollege von Olga Steindler. Nach seiner Promotion 1903 war er Assistent am

I. Physikalischen Institut. Im Jahre 1905 habilitierte Felix Ehrenhaft. 1920 wurde er zum ordentlichen Professor ernannt und Vorstand des III. Physikalischen Institutes.[4]

Olga Ehrenhaft–Steindler und Dr. Felix Ehrenhaft wurden Eltern von zwei Kindern. Ihr Erstgeborener, Johannes Leopold Friedrich Steindler, kam am 10.10.1915 zur Welt. Zwei Jahre später, am 19.11.1917, wurden sie Eltern einer Tochter, Anna Maria Luise Ehrenhaft.[5]

Olga Steindler–Ehrenhaft organisierte neben ihrem Beruf das Dienstpersonal und die Hauslehrer. Im Hause Ehrenhaft in Grinzing waren viele Persönlichkeiten, unter ihnen Albert Einstein, zu Gast. Philipp Frank notierte zu Olga Steindler:

„Ehrenhafts Frau war eine bemerkenswerte Gestalt unter den Frauen Wiens. Sie war selbst Physikerin und eine hervorragende Organisatorin des Mädchenunterrichtes in Österreich.“[6]

und erzählte in seiner Einstein-Biographie folgende Anekdote:

„Als Einstein nur mit einem einzigen weißen Kragen ankam, fragte sie ihn erstaunt: „Haben Sie vielleicht etwas zu Hause vergessen?“ Er aber antwortete: „Durchaus nicht, das ist alles, was ich brauche.“ Sie ließ ihm als gute Hausfrau eine von beiden mitgebrachten Hosen beim Schneider bügeln. Aber sie bemerkte zu ihrem Entsetzen, daß er zum Vortrag dann gerade die andere, ungebügelte, angezogen hatte.“[7]

Fünfzigjährig, 1929, erfuhr Olga Ehrenhaft–Steindler die niederschmetternde Nachricht, dass sie an Brustkrebs erkrankt sei. Sie unterzog sich einer schwierigen Operation, konnte sich von dieser aber nie mehr richtig erholen.

Olga Ehrenhaft–Steindler wurde für ihren Einsatz auf dem Gebiet der Mädchenbildung und des Frauenstudiums „als einer der ganz wenigen Frauen der Titel eines Regierungsrates verliehen.“[8] 1931 wurde ihr der Titel Hofrat zuerkannt.[9]

Zwei Jahre später, 1933, erkrankte sie schwer an einer Lungenentzündung. Nach fünfwöchiger Krankheit verstarb sie im fünfundfünfzigsten Lebensjahr am 21. Dezember 1933 an einer Embolie.[10]

In dem Nachruf vom 22. Dezember 1933 wird Olga Ehrenhaft–Steindlers Leben und Werk gewürdigt:

„Voll glühender Begeisterung für ihren Beruf sowie fürs Frauenstudium überhaupt, erkämpfte sie, mit bewunderswerter Schärfe des Verstandes und hohem wissenschaftlichen Können ausgestattet, mit zäher Beharrlichkeit alle Widerstände überwindet– und sie waren nicht gering - den Frauen die gleichen Bildungsmöglichkeiten, wie sie den männlichen Studierenden offen waren.

Eine Frau, die auf zahlreichen Wissensgebieten zu Hause war, von edlem Charakter, von scharfsinnigem Geist und wunderbarem Witz, bei Kollegen und Schülern beliebt, von den Behörden geschätzt, verstand sie es, auch neben ihrem Beruf immer Hausfrau zu bleiben.“[11]

Nach dem Tod der Mutter zog der Sohn Johann Leopold Ehrenhaft in die USA. Dort beendete er sein Medizinstudium und arbeitete später an der University of Iowa. Ihre Tochter und ihr Ehemann emigrierten 1938 in die USA.



[1] Universitätsbibliothek Wien, I-318066.

[2] Keintzl, Brigitta/Korotin, Ilse (Hrsg.): Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken, (Wien-Köln-Weimar, 2002), 156.

[3] Bischof, Brigitte: Physikerinnen. 100 Jahre Frauenstudium an den Physikalischen Instituten der Universität Wien, Broschüre zur Ausstellung, (Wien, 1998), 8.

[4] Bischof, Brigitte: Olga Steindler, 4f.

[5] Degener, Hermann A. L. (Hrsg.): Wer ist’s? Unsere Zeitgenossen, 345.

[6] Frank, Philipp: Einstein. Sein Leben und seine Zeit, (Braunschweig, 1979), 289.

[7] Frank, Philipp: Einstein, 289.

[8] Planer, Franz (Hrsg.): Jahrbuch der Wiener Gesellschaft, (Wien 1928), 64.

[9] Angetter, Daniela/Martischnig, Michael: Biografien österreichischer [Physiker]innen , (Wien, 2005), 138.

[10] Neue freie Presse, 22.12.1933, Tod der Pädagogin Hofrat Olga Ehrenhaft-Steindler, 6.

[11] Neue freie Presse, 22.12.1933, Tod der Pädagogin Hofrat Olga Ehrenhaft-Steindler, 6.