Peter Christian Aichelburg


Aktuelles Arbeitsgebiet:

Mein Forschungsgebiet ist im Bereich der Gravitationstheorie, der klassischen Feldtheorie und im engeren Sinn der Allgemeinen Relativitätstheorie (geometrische Aspekte, mathematische Formulierungen). Dazu gehört auch die Kosmologie, in der sich in den nächsten Jahren sehr viel tun wird. Dieses Gebiet ist einerseits mathematisch anspruchsvoll und wird andererseits mit immer genaueren Beobachtungsdaten konfrontiert. Dass wir nur einen Bruchteil von dem sehen, was sich gravitativ bemerkbar macht, ist eine große Herausforderung für die modere Kosmologie.


Wissenschaftliche Laufbahn:

Gastprofessuren und Forschungsaufenthalte an Universitäten und Forschungsinstituten u. a.:


Peter Christian Aichelburg und die Physik:

(Der folgende Text basiert auf einem Interview, das im Juli 2004 geführt wurde)

Wie sind Sie zur Physik gekommen?

Das war ein sehr früher Entschluss. Ich bin in Wien, der Schweiz, Venezuela und auf Barbados in die Schule gegangen und offenbar hat sich schon früh ein ausgeprägtes Talent für Mathematik und ein gewisses analytisches Denken gezeigt. Darüber hinaus habe ich mich für Astronomie interessiert und z.B. selbst ein Fernrohr gebastelt. Mit diesem die riesigen Dimensionen des Weltalls zu erkunden und Jupitermonde, den Saturn, die Phasen der Venus, Sonnenflecken und Protuberanzen zu entdecken – das hat mich fasziniert.

Eigentlich verdanke ich den Zugang zur Physik meinem Stiefvater, der mich mit den richtigen Büchern „gefüttert“ hat. Mein erstes Physikbuch war kein Mittelschullehrbuch, sondern bereits eine Einführung in die Physik an der Hochschule. Dann kam ein kleines Büchlein über Einsteins Relativitätstheorie, das ich mit großem Interesse gelesen habe. Und danach – also mit 14 oder 15 Jahren – war mir klar, was ich wollte. Die Physik war dann auch die Triebfeder, durch die Matura zu kommen. Und mit dem Maturazeugnis in der Hand bin ich dann wieder nach Wien gekommen, um hier an der Universität Physik zu studieren.

Welche Fähigkeiten haben Sie mitgebracht - was mussten Sie sich erarbeiten?

Wie gesagt, ein gewisses Talent für Mathematik und die Freude am logischen Denken habe ich mitgebracht. Besonderst geschult wurden diese Fähigkeiten in meiner Kindheit und Jugend nicht. Aber ich meine, dass zum Beispiel das Bauen mit dem Matador-Bausatz – womit ich viel Zeit verbracht habe – das abstrakte und räumliche Denken schult. Man hat zweidimensionale Vorlagen und muss dreidimensional bauen.

Mit meiner mathematischen Ausbildung während des Studiums bin ich nicht sehr glücklich. Ich habe damals bei einem älteren Professor Differential- und Integralrechnung gehört und das ging so langsam dahin, dass wir im dritten Semester noch nicht ordentlich differenzieren konnten. Dennoch hat mich diese Vorlesung fasziniert, weil sie in der Art der Argumentation ein Fenster in eine neue Welt war. Im Gymnasium waren geometrische Beweise ein Schwerpunkt der Mathematik – hier kam eine völlig andere Beweisführung zur Anwendung, nämlich jene über Limiten in der Infinitesimalrechnung. Leider hat das viel Zeit gekostet und ich bin zu den weiterführenden Vorlesungen nicht mehr gekommen.

Wie erging es Ihnen während des Studiums?

Ich hatte während der Schulzeit Bücher über Relativitätstheorie und Quantentheorie gelesen, bin dann an die Universität gekommen und war wahnsinnig enttäuscht. Ich war am Rande davon, das Studium wieder abzubrechen. Es war so gar nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Besonders das Anfängerpraktikum habe ich als schrecklich empfunden. Es wurde dort nichts gelehrt, es war eine permanente Prüfungssituation, die Assistenten waren wenig hilfreich und das Labor total veraltet. Die Beispiele, die geboten wurden, waren – mittlerweile – vom vorvorigen Jahrhundert.

Was ein Curriculum betrifft, war das Studium damals völlig frei. Es gab keinen vorgeschriebenen Lehrplan. Man konnte Kolloquien machen, musste aber nicht. Aus Südamerika kommend, war ich zu Beginn des Studiums daher zunächst etwas verloren und als Einzelkämpfer unterwegs. Zudem war die Physik extrem überlaufen. In den Vorlesungen war kaum ein Platz zu kriegen, ich kaufte mir also einen kleinen Klappstuhl und habe auf den Knien geschrieben.

Ich wollte Physik studieren, um zu den Gipfeln vorzustoßen – dass dabei ein gutes Fundament nötig ist, war mir schon klar. Aber keine der Vorlesungen, die ich damals gehört habe, hat mich wirklich beeindruckt. Die Vortragenden waren großteils recht alte Herren und dementsprechend wenig lebendig waren ihre Vorlesungen.

Nach einigen Semestern bin ich dann in den 4. Stock gegangen, wo die Theoretische Physik angesiedelt war, und habe beim jungen Walter Thirring eine Vorlesung gehört. Ich habe wenig verstanden, aber mir wurde sofort klar, dass dieser Mensch weiß, wovon er spricht. Man spürte, dass er die Dinge wirklich durchdringt. Das war der Ansporn, weiter zu machen.

Solche Leitbilder sind ganz wichtig. Es braucht Personen, von denen man die Meinung hat, ja, so gehört es. Ich glaube, das ist ganz entscheidend.

Wie sind Sie zu Ihrem derzeitigen Arbeitsgebiet gekommen? Wie waren Ihre ersten Erfahrungen mit der Wissenschaft?

Es hat damals kein Diplomstudium gegeben, man machte gleich das Doktorat – und das wollte und konnte ich bei Thirring machen. Arbeiten konnte man im Dissertantenzimmer, einem schmalen Raum, an dessen Wänden lange Schreibtische standen, die von bis zu 8 Dissertanten benutzt wurden. Betreut wurde man hauptsächlich von dem Assistenten, dem man zugeordnet war. Als Dissertant war man voll in das Institutsleben eingebunden und als Tradition gab es den Vier-Uhr-Tee. Das ganze Institut kam dabei zusammen und besprach die neuesten Abhandlungen. Thirring war immer auf dem Laufenden, hat berichtet und Fragen gestellt – diese Gespräche waren sehr anregend und wichtig für das eigene wissenschaftliche Weiterkommen. Das Studium abgeschlossen habe ich mit dem Rigorosum bei Thirring, Karlik und Hofreiter.

Ich habe ja früh gewusst, was mich interessiert – aber dass Physik auch ein Beruf werden sollte, daran hatte ich eigentlich nie gedacht. Und vor allem mein Vater war enttäuscht, dass ich nach Beendigung meines Studiums nicht gleich die Aussicht auf eine gut dotierte Stelle hatte.

Ich bekam eine Assistentenstelle am Institut, bin aber bald danach mit einem Stipendium für ein Jahr an das Internationale Zentrum für Theoretische Physik (I.C.T.P.) nach Triest gegangen. Herr Thirring hat mir eine Fragestellung mitgegeben, an der ich arbeiten solltet. In Triest hat es eine ausgezeichnete Physik-Bibliothek gegeben, das neue Gebäude entsprach meinen architektonischen Vorstellungen und man konnte dort teilweise mit Blick aufs Meer sitzen und lesen. Es war eine ideale Arbeitsatmosphäre. Dort habe ich meine ersten beiden Publikationen geschrieben, die beide veröffentlicht und recht oft zitiert wurden.

Nach diesem Jahr bin ich für ein paar Monate nach Wien zurückgekommen und wollte eigentlich weiter nach Caracas, um dort eine neue Universität mit aufzubauen. Aus persönlichen Gründen ging das aber dann nicht und ich bin – von etlichen Gastaufenthalten abgesehen – in Wien geblieben.

Ich glaube, für jeden Wissenschafter – nicht nur für Physiker – ist eine vollständige Identifikation mit dem, was er macht, notwendig. Man muss es mögen. Ansonsten sollte man das nicht machen. Für mich bedeutet die Physik einfach die Freude am Entdecken neuer Dinge, das Knacken von Problemen und das Teilhaben am wissenschaftlichen Fortschritt. Es ist, als würde man ein Fenster in eine neue Landschaft aufmachen. Man gewinnt Einblicke, die anderen Menschen nicht gewährt sind – die schauen dafür wahrscheinlich woanders hin.

"Ich ganz persönlich"

Neben meiner eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit engagiere ich mich beim Europäischen Forum Alpbach, bei dem ich derzeit Vorsitzender des Kuratoriums bin. Das kostet einige Zeit, birgt aber die Möglichkeit, Wissenschafter aus verschiedensten Gebieten kennen zu lernen und mit ihnen – auch abseits der festgelegten Programmpunkte – zu diskutieren.

Ein ganz wichtiger Punkt in meinem Leben ist die Familie, meine Frau und mein Sohn. Ich betreibe ein bisschen Sport, spiele Tennis und gehe mit meiner Frau häufig ins Theater.
Ich nehme meine Lehrtätigkeit sehr ernst und versuche, während des Semesters durchgehend da zu sein. Daher teile ich mir Fahrten zu Tagungen und Konferenzen für die Ferien ein – da bleibt dann meist leider wenig Zeit für wirkliche Urlaube. Wenn doch, dann bleibe ich gerne in Österreich, wandere und genieße die Salzburger und Oberösterreichischen Seen, besonders den Attersee. Eine Wunschvorstellung wäre, ein kleines Bootshaus am Attersee zu haben, in dem man am Abend sitzt und hört, wie der Ausflugdampfer vorbeifährt.

Eine schöne Aufgabe war auch der mittlerweile abgeschlossene Hausbau. Es war interessant zu sehen, wie aus Ideen Realität entsteht und wie Geld - im engsten Sinn des Wortes - arbeitet. Bei der Planung konnte ich meinen Faible für Architektur ausleben. Wir haben mit dem Architekten über ein Jahr diskutiert, das war eine faszinierende Zeit. Viele der Einrichtungen, die eingebaut wurden, habe ich selbst entworfen und großteils auch selbst gemacht.

Welchen Rat würden Sie jungen Menschen mitgeben auf den Weg, wenn sie Physik studieren wollen?

Man muss die Liebe zur Physik, aber auch zur Mathematik und neuerdings zur Arbeit am Computer mitbringen – Numerik wird immer wichtiger. Daneben bedarf es einerseits der Fähigkeit, sich zurückziehen und über Dinge nachdenken zu können, andererseits aber auch der Bereitschaft, hinauszugehen und Wanderjahre zu absolvieren.

Logisches und analytisches Denken sowie Teamgeist sind sicher wichtig. Wenn sich jemand berufen fühlt und glaubt, die entsprechenden Fähigkeiten mitzubringen, dann würde ich sagen, soll sie oder er das Studium unbedingt probieren.

Wichtig erscheint mir auch, dass man in der Wissenschaft irgendwo einen Grundpfeiler setzt. Was immer man macht, man muss zumindest ein Mal irgendwo tief hineingehen und die Materie durch und durch erforschen. Dort muss man einen tiefen Pfeiler setzen, bevor man horizontal weiter geht. Man muss auf festem Grund stehen, von dem aus man sich weiterentwickeln kann.


Das Interview führten Irene Brunner und Mag. Katharina Durstberger
Projektleitung: Mag. Helga Stadler

Links:

Arbeitsgruppe Gravitationsphysik an der Universität Wien
persönliche Seite von Peter Christian Aichelburg am Institut
Europäisches Forum Alpbach
Internationales Zentrum für Theoretische Physik in Triest

e-mail an Peter Christian Aichelburg