Mein Gebiet ist extragalaktische Astrophysik und Kosmologie. Im Speziellen beschäftige ich mich mit Galaxienhaufen, also mit den größten gebundenen Strukturen des Universums. Mit Hilfe dieser Galaxienhaufen kann man sehr gut kosmologische Forschung machen und physikalische Prozesse unter extremen Bedingungen untersuchen. Ich kombiniere bei meiner Forschung Beobachtungen mit numerischen Rechnungen. Die Beobachtungen werden mit den größten Teleskopen und mit Hilfe von Satelliten durchgeführt, wobei nicht nur optische Beobachtungen von Galaxien sondern auch Röntgenbeobachtungen des heißen Gases wichtig sind. Die numerischen Rechnungen werden mit Hilfe von hydrodynamischen Methoden auf Parallelrechnern durchgeführt. Gerade der direkte Vergleich von Simulation und Beobachtung liefert sehr gute Resultate.
(Der folgende Text basiert auf einem Interview, das im Jänner 2004 geführt wurde)
Wie sind Sie zur Physik gekommen?
Ich würde sagen, mir liegen Naturwissenschaften einfach mehr als andere Wissenschaften und der Umgang mit Zahlen hat mir schon immer Spaß gemacht. Dazu kommt noch, dass mein Vater Physiker bei Siemens ist, und wahrscheinlich auch einen Beitrag dazu geleistet hat, indem er mir gezeigt hat, dass man mit Physik seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Er hat mich aber sicher nicht zum Physikstudium gezwungen.
Was mich schon immer interessiert hat, war die Astrophysik. Ich weiß noch wie ich klein war, da haben mich die Planeten und all das schon fasziniert. Ich habe versucht, darüber möglichst viele Bücher zu kriegen. In der Stadtbücherei habe ich ein bestimmtes Regal vollkommen durchgelesen, wobei da natürlich auch Fachbücher dabei waren, die ich damals überhaupt noch nicht verstanden habe.
Später wurde mir gesagt, Astrophysik sei eine brotlose Kunst. Zuerst müsse ich auf jeden Fall mal Physik studieren, weil das die Voraussetzung für Astrophysik ist. Da für mich in der Schule sowieso auch die anderen Teilgebiete der Physik interessant waren, war ich nicht mehr so fixiert auf Astrophysik.
Es hat sich also schon während der Schulzeit herauskristallisiert, dass ich entweder in Richtung Physik oder Mathematik gehen möchte. Ausschlaggebend war eine Veranstaltung für Schulabgänger, bei der derjenige, der für Mathematik zuständig war, erzählte, dass die Mathematik jetzt in der Schule viel besser wird, weil jetzt alles exakt bewiesen wird. Das war genau das, was mich nicht so interessiert hat, und deswegen war von da ab für mich klar, dass ich Physik studieren werde.
Welche Fähigkeiten haben Sie mitgebracht - was mussten Sie sich erarbeiten?
Der Sprung von der Schule auf die Uni war natürlich schon ein großer, aber nicht unbedingt wegen der Mathematik, sondern einfach weil die Methoden anders waren. Man bekommt nicht mehr alles so vorgekaut wie in der Schule - das war schon schwierig. Was ich dann wieder leichter gefunden hab, das war die Diplomarbeit. Sobald ich wieder irgendeine Arbeit hatte, mit der ich mich beschäftigen konnte und wo ich meine eigenen Sachen entwickeln konnte, das war für mich wieder viel angenehmer als im Studium, wo man immer drinsitzen und möglichst viele Sachen in den Kopf reinstopfen musste. Ab da hat es mir viel mehr Spaß gemacht.
Was ich auf jeden Fall erst lernen musste, ist, diese Berichte zu schreiben. Dass ich nicht einfach meinen Weg gehe, ans Ziel komm und fertig, sondern dass ich das auch alles beschreiben muss, dass jemand das nachvollziehen kann, und ich es in publizierbare Form bringen muss, das war am Anfang schwierig.
Nach welchem Motto leben Sie?
Nicht unterkriegen lassen, selbst wenn's dicke kommt, einfach weiterstrampeln, und irgendwann kommt man schon wieder an die Oberfläche. Es ist nicht unbedingt ein Leitspruch, aber man kann sagen, dass ich danach lebe. Wenn ich weiß, jetzt wird's schlimm, dann beiß ich die Zähne zusammen, und biete alle Zähigkeit auf, die ich hab. Ich glaub, ich gebe nicht so leicht auf.
Wie erging es Ihnen während des Studiums?
Ich habe in Erlangen studiert und Diplomarbeit in experimenteller Kernphysik gemacht. Vom Studium hat mir am besten die Diplomarbeit gefallen, obwohl auch die Praktika immer ganz lustig waren. Die Kontakte zu den Kollegen haben sich nach und nach ergeben. Vor allem gab es da ein Kolloquium, bei dem wir immer unsere private Nachsitzung im kleinen Kreis gemacht haben. Es waren ziemlich wenig Frauen in meinem Semester, wir waren so ungefähr 10%. In unserer Gruppe da waren allerdings dann fast die Hälfte Frauen, also es hat auch ein bisschen "geclustert" bei den Frauen.
Ich hab mir dann angeschaut, was für Diplomarbeiten angeboten werden. Die Theorie hat mich nicht so interessiert und auch das nicht, was an unserer Universität in der Astrophysik angeboten wurde. Mich hat es also eher zur Experimentalphysik gezogen, und ich bin dann letztendlich zu einem Professor gegangen, bei dem mir schon die Vorlesung gefallen hat, wie das alles logisch aufgebaut war und auch menschlich hab ich gedacht, mit dem komm ich gut zurecht. In meiner Diplomarbeit habe ich dann ein Programm geschrieben, das Monte-Carlo Simulationen macht für ein Dreiteilchenexperiment bei dem Deuteronen auf Neutronen geschossen werden.
Wie sind Sie zu Ihrem derzeitigen Arbeitsgebiet gekommen? Wie waren Ihre ersten Erfahrungen mit der Wissenschaft?
Im Lauf der Diplomarbeit hab ich dann beschlossen, dass ich in der Wissenschaft weiter machen möchte, weil mir das mit der Diplomarbeit viel Spaß gemacht hat. Ich bin zunächst ans Max Planck Institut für Quantenoptik nach Garching gegangen. Da ich in der Kernphysik nicht unbedingt Zukunftsperspektiven sah, hab ich mich eben auch in anderen Bereichen umgeschaut, und die in der Quantenoptik waren die ersten, die mir was angeboten haben. Da war ich ein Jahr lang, und es ist fast alles schief gelaufen. Es war kein richtiges Thema da, der Betreuer hat auch nicht so recht gewusst, was er machen soll, und ob er nicht vielleicht ganz aus der Wissenschaft rausgehen sollte, und der Professor hat sich auch um nichts gekümmert.
Nach dem einen Jahr hab ich mir gesagt, das hat keinen Sinn, wenn ich hier noch länger Zeit vertrödel, weil da einfach nichts in absehbarer Zeit rauskommt. Jetzt mach ich was, was mir richtig Spaß macht. Deshalb bin ich ins Nachbarinstitut gegangen und hab gefragt, ob es nicht auch in der Astrophysik eine Doktorarbeit gibt, und die haben mich auch genommen.
Das Thema waren Simulationen zur Entwicklung von Galaxienhaufen. Dabei sind mir meine Simulationserfahrungen von der Diplomarbeit zu gute gekommen, aber natürlich war es ein vollständig anderes Gebiet, in das ich mich erst einarbeiten musste.
Wie ist Ihre wissenschaftliche Laufbahn weiter gegangen?
Der Wunsch, in der Wissenschaft zu bleiben, war auf jeden Fall da und nach der Doktorarbeit ist die Grenze, wo man sich fragen muss, gehe ich in die Industrie oder bleibe ich in der Wissenschaft. Da habe ich entschieden, in der Wissenschaft zu bleiben solange es geht. Es ist eine Gratwanderung und es hätte auch genauso gut sein können, dass irgendwann die Finanzierung aufhört. Ich habe gewusst, dass ich dann Schwierigkeiten gehabt hätte, in der Industrie etwas zu finden, weil man dann zu alt ist. Ich hab eben einfach Glück gehabt.
Nach der Doktorarbeit bin ich für ein Jahr nach Amerika gegangen. Ich war am Lick Observatory in Santa Cruz an der University of California auf einer Postdoc Stelle mit einem Stipendium der Alexander von Humboldt Stiftung. Ich hatte vorher gleichzeitig einen Antrag bei der DFG, dem deutschen Pendant zum Fond, gestellt. Dieser Antrag wurde mir für 2 Jahre genehmigt, ich nahm aber nur das 2. Jahr in Anspruch, das heißt, ich hatte das Glück, dass ich von meinem Amerikaaufenthalt wieder nach Europa zurückspringen konnte, was für einige damals die große Schwierigkeit war.
Es war geplant, dass ich meine Arbeiten, die ich in der Doktorarbeit angefangen hatte, weiterführe und ausbaue. Aber das war dann ein bisschen schwierig, weil ich mit einem superalten Terminal arbeiten musste und nur sehr wenig Rechenzeit zur Verfügung hatte, sodass ich nicht einmal ein Modell hätte durchrechnen können. Ich habe mir dann einfach etwas anderes gesucht. Ich bin quasi vom Theoretiker zum Beobachter geworden und hab am VLA, das ist ein Radioteleskop in New Mexico, beobachtet. Ich hab das einfach benutzt, um meinen Horizont zu erweitern.
Als ich wieder zurück nach Garching gekommen bin, war ich eigentlich an 2 Instituten, für Astrophysik und für Extraterrestrische Physik. Damals wurde in Garching der Rosat-Satellit, ein Röntgensatellit, gebaut. Ich habe die Daten von diesem Satelliten benutzt, um meine Forschungen zu machen. Es gab dann auch optische Folgeprojekte und auf diese Weise bin ich zu den optischen Beobachtungen gekommen und bin auch öfter nach Chile zur ESO, der europäischen Südsternwarte, zum Beobachten gefahren. Eine Zeit lang war ich also hauptsächlich Beobachter.
Nach 4 Jahren habe ich mir gedacht, jetzt wird es Zeit, dass ich die Postdoc Zeit beende, und hab mich auf eine Staff-Position in Liverpool an die John - Moores University beworben. Da hatte ich die volle wissenschaftliche Freiheit und keinen Zwang zur Lehre und konnte endlich meine eigene kleine Gruppe aufbauen, was in Garching schwierig gewesen war. Ich hab dann auch ein Projekt von der EU gekriegt, ein Marie-Curie-Trainings-Site, mit dem man Doktoranden, die eigentlich von jemand anderem betreut werden, für ein paar Monate auf irgendeinem speziellen Gebiet trainieren kann. Dieses Projekt hat mir geholfen, meine eigenen Projekte voranzutreiben und Kontakte mit den Instituten, wo die Doktoranden herkamen, zu knüpfen.
Mit dem Wechsel nach England hab ich auch die Habilitation umgangen. In England gibt es das nicht, und dadurch, dass ich dort schon offizielles Staff-Mitglied in einem Institut war, hat das als gleichwertig zu einer Habilitation gegolten. Deswegen konnte ich mich auch in Innsbruck auf die Professur bewerben. Ich war vier Jahre in England und vor knapp zwei Jahren bin ich nach Innsbruck gekommen, worüber ich sehr froh bin.
"Ich ganz persönlich"
Ich habe gerne einen Überblick und ich lasse mich nicht gerne einschränken, wenn mich die Leute zum Beispiel fragen, sind Sie Beobachter oder Theoretiker. Ich versuche die Methode zu nehmen, die am besten zum Ziel führt.
Ich bin ein geselliger Mensch und fühle mich ganz alleine nicht wohl. Ich betreibe Sport als Ausgleich, weil man dann mal mit anderen Leuten zusammen ist, nicht immer nur mit denen vom Institut, und selbst wenn es mit Leuten vom Institut ist, so lernt man sie dadurch auf eine ganz andere Art kennen. Es ist also nicht nur, dass ich mich unbedingt austoben muss, sondern es ist auch das ganze "Drumrum" wichtig.
In Innsbruck bietet es sich natürlich an, die Berge auszunützen. Ich gehe manchmal wandern oder Schi fahren. Das mache ich ganz bewusst, um die schöne Gegend zu genießen. Oft sitze ich auch einfach nur am Fenster in meiner Wohnung und schau mir die Berge an und genieß den schönen Ausblick. Ich gehe auch gerne Volleyball spielen.
Im Moment ist es für mich wichtig, dass ich in Innsbruck einwurzle und versuche, nette Menschen kennen zu lernen.
Wichtig ist mir auch meine ehrenamtliche Tätigkeit im Zonta-Club. Das ist eine Vereinigung von berufstätigen Frauen, die in verantwortungsvollen Positionen sind, also so etwas Ähnliches wie der Lions-Club. Im Rahmen dieses Clubs wird Geld für Bedürftige rund um die Welt zur Verfügung gestellt und verteilt. Diese internationale Vereinigung, die ihren Anfang in Amerika hatte, hat sich zum Ziel gesetzt, ganz allgemein unterdrückten und bedürftigen Menschen zu helfen, und speziell die schlechten Lebensbedingungen von Frauen in bestimmten Ländern zu verbessern.
Welchen Rat würden Sie Mädchen oder Frauen mitgeben auf den Weg, wenn sie Physik studieren wollen?
Eine gute Ausbildung ist ganz wichtig fürs ganze Leben, ganz egal, was man dann vorhat. Wenn man eine gute Ausbildung in der Hand hat, speziell als Frau, hat man auch einen anderen Stand in der Familie, wenn man zum Beispiel vorhat, mal Familie zu haben und nur noch für Kinder da zu sein. Physik ist eine gute Ausbildung mit einer hohen Flexibilität, egal in welche Richtung man gehen möchte, und wenn sich jemand dafür interessiert, würde ich jungen Frauen raten, das zu machen. Das Physikstudium ist zwar nicht das leichteste Studium, aber ich würde sagen, es lohnt sich.
Das Interview führten Mag. Natascha Riahi und
Mag. Katharina Durstberger
Projektleitung: Mag. Helga Stadler