Beeinflusst durch die erste Vorlesung bin ich der Statistischen Physik treu geblieben. Viele meiner Arbeiten kreisen um das Problem der Dynamik, wie lässt sich der Gleichgewichtszustand und das Streben zum Gleichgewicht erklären. Daraus ergaben sich meine Arbeiten aus der Quantenergodentheorie, in der ich zu einem guten Teil erst eine für das Problem brauchbare Mathematik mitentwickelt habe. Da diese Mathematik aber auch für die Quanteninformatik nützlich zu sein scheint, geht jetzt mein Interesse auch in diese Richtung. Kurzzeitige Ausflüge in andere Gebiete wie die Streutheorie oder den Quanten Hall Effekt gehören aber auch dazu.
(Der folgende Text basiert auf einem Interview, das im Mai 2002 geführt wurde)
Wie sind Sie zur Physik gekommen?
Meine Mutter war schon Physikerin. Sie hat kurzzeitig in einem Forschungslabor gearbeitet und dann am Gymnasium unterrichtet. So konnte ich schon als kleiner Stöpsel die Art des Argumentierens beobachten. Auch mit Beginn des Physikunterrichtes in der Mittelschule habe ich sofort bemerkt: Das macht mir Freude. Ich habe gerne Bücher über Forscher gelesen. Auch kann ich mich erinnern, dass damals in der Mickey Mouse zwischen den Cartoons Artikel über Quantentheorie auf der Basis des Bohr'schen Atommodels eingestreut waren. Für jemanden, der dreizehn war, war das recht faszinierend. Da habe ich gemerkt: Das ist spannend, darüber zu arbeiten würde mich freuen. Und dabei bin ich auch geblieben.
Welche Fähigkeiten haben sie mitgebracht - was mussten Sie sich erarbeiten?
Ich glaube, einer der wichtigsten Punkte ist die Entwicklung des Problembewusstseins. Es ist immer so, dass man etwas ein bisschen versteht, aber eben nicht zur Gänze. Es muss einem klar werden, wo noch etwas zu machen ist, und dann muss man herauszufinden versuchen, durch welche Methoden die Sache am besten zu klären ist. Ich persönlich habe ziemlich früh gemerkt, dass meine Begabung an der Grenze zwischen Mathematik und Physik liegt. Ich vereinfache ein physikalisches Phänomen, sodass ich ein mathematisches Modell dafür aufbauen kann. Aus diesem Modell soll es dann möglich sein, präzise, für die Physik relevante Antworten zu geben. Ich habe zeitweise das Gefühl, dass es da Missverständnisse gibt: einerseits von den Mathematikern, die nicht merken, wie wesentlich es ist, dass man das Modell physikalisch klug anlegt, andererseits von den Physikern, die argwöhnen, dass man die Modelle nur aus Lust am Abstrahieren konstruiert. Ich würde dagegen sagen, dass man durch eine abstraktere Formulierung oft an physikalischer Klarheit gewinnt.
Nach welchem Motto leben Sie?
Ich lege Wert auf ein gewisses Maß an Unabhängigkeit in meinem Leben. Ich lasse mich nicht gerne etikettieren, mir sozusagen ein Mascherl umhängen. Genauso wenig mag ich es, wenn die Zukunft allzu fix verplant ist. Ich schätze die Freiheit, Dinge auf mich zukommen zu lassen und mich dem Augenblick anpassen zu können.
Wie erging es Ihnen während des Studiums?
Ich habe angefangen, mein Studium zweigleisig zu fahren,
Lehramt und Doktoratsstudium. Das war damals noch gut zu kombinieren. Dadurch
war ich nicht unter Erfolgszwang. Ich musste nicht eine tolle wissenschaftliche
Karriere machen. Das war nicht das unbedingte Ziel. Geht's gut, ist es recht.
Geht's nicht gut, ist es auch recht.
Die Atmosphäre während des Studiums war sehr erfreulich. Es gab
eine rege Zusammenarbeit der Studierenden untereinander. Wir haben die Übungen
zusammen gemacht, Mitschriften ausgetauscht und anstehende Probleme diskutiert.
Wie sind Sie zu ihrem derzeitigen Arbeitsgebiet gekommen? Wie waren Ihre ersten Erfahrungen in der Wissenschaft?
Die erste etwas fortgeschrittene physikalische Vorlesung, die ich mir angehört habe, war die von Walter Thirring. Die Mathematikvorlesung hatte noch nicht angefangen, und ich habe mir gesagt, jetzt gehst du einmal und schaust dir den berühmten Mann an. Ich plante, so lange zu bleiben, so lange ich es verstehe. Und so bin ich hängen geblieben. Das Thema war Statistische Physik, ich bin also hineingesprungen in ein Gebiet, das Mechanik, Elektrodynamik und Quantenmechanik vorausgesetzt hat. Vor allem die Quantenmechanik musste ich mir in aller Eile aus einem Buch aneignen. Aber das war es wert. Die Vorlesung hat genau das geliefert, was mich fasziniert hat: Das Wesentliche war die Physik, und die Mathematik war das passende Werkzeug. Und damit hat mich auch die Statistische Physik gefangen genommen. Später bin ich dann zu Walter Thirring gegangen und habe um ein Dissertationsthema gebeten. Zunächst sollte ich eine Rechnung ausführen, da war mir noch gar nicht klar, dass daraus eine Dissertation werden sollte. Ich kann auch nicht beurteilen, ob er mich erst austesten wollte, wie viel ich kann und wie schnell ich reagiere. Jedenfalls ging es mit der Dissertation schnell voran. Ein anderes Schlüsselerlebnis war ein Vortrag von Derek Robinson, den ich in Wien gehört habe, als ich schon Dissertantin war. Ich hatte sofort das Gefühl, diese mathematische Sprache, diese Art zu denken gefällt mir. Darum habe ich mich um ein Stipendium nach Frankreich beworben. Das war eine interessante Zeit in jeglicher Hinsicht. Ich arbeitete am IHES, einem Forschungsinstitut südlich von Paris. Dort waren für einen Monat ungefähr fünfzehn Wissenschafter eingeladen. Man traf sich um 10 Uhr im Seminarraum, verteilte sich in den Sesseln und schließlich stand einer auf und sagte: "Worüber ich in letzter Zeit nachgedacht habe, ...". Und so entstand dann die Diskussion. Da konnte man sozusagen beim Kochen zuschauen: Wie denkt man, wie erkennt man das Problem, wie übersetzt man es in die mathematische Sprache, wie kann man etwas ausprobieren, um sich der Lösung zu nähern.
Wie ist Ihre wissenschaftliche Laufbahn weiter gegangen?
Schon als Dissertantin hatte ich eine halbe Stelle am Institut,
die mir von Prof. Thirring angeboten worden war. Die musste ich für das
Stipendium nach Paris aufgeben. Das war es mir aber wert. Nach meiner Rückkehr
habe ich ein Jahr am Gymnasium unterrichtet. Ein Jahr später kam Walter
Thirring vom CERN zurück, hat eine neue Stelle im Ministerium herausgefochten,
und so konnte ich wieder an das Institut zurückkehren. Später habe
ich dann noch ein Angebot bekommen, für ein Jahr zu Bell Labs nach Amerika
zu gehen, und wurde für diese Zeit in Wien beurlaubt. Bald darauf habe
ich mich habilitiert. Darauf wurde die Stelle in eine permanente Stelle umgewandelt,
die ich bis jetzt innehabe. Zwischendurch war ich für ein Semester Gastprofessor
in Göttingen und monatsweise in Hamburg.
Es gab eine Zeit nach meiner Habilitation, in der ich überlegt habe zu
kündigen, da ich mit mir unzufrieden war. Ich habe gefunden, das, was ich
da jetzt produziere, hat zu wenig Substanz und ist es nicht wert, und da wollte
ich nicht weitermachen. Aus dieser Periode bin ich herausgekommen und habe wieder
Arbeiten geschrieben, auf die ich wieder ein bisschen stolz sein konnte. Einmal
habe ich mir überlegt, mich für eine ordentliche Professur zu bewerben,
habe es dann aber nicht getan. Ich dachte, als ordentlicher Professor kommt
man vor lauter Bürokratie weniger zur eigenen Arbeit. Man hat ungleich
mehr Vorlesungsverpflichtungen. Und man muss Leute führen. Manche sehen
das als einen großen Vorteil. Für mich ist es aber mehr eine Verpflichtung
als ein Recht und damit eine Belastung.
"Ich ganz persönlich"
Der Zusammenhalt mit meiner Familie und da ganz besonders mit meiner Schwester nimmt eine wichtige Rolle in meinem Leben ein. Freizeit spielt sich bei mir ohne jeden Leistungsdruck ab: Ich gehe gerne spazieren, lese, höre Musik. Beim Lesen ist mir Belletristik am liebsten, auch ältere aus vergangenen Jahrhunderten. Lyrik mag ich auch, und in der Musik höre ich besonders gerne Mozart, Schubert, Brahms und Mahler.
Welchen Rat würden Sie jungen Menschen, besonders Mädchen oder Frauen, mitgeben auf den Weg, wenn sie Physik studieren wollen?
In der Physik und insbesondere in der Forschung bringt man nur etwas zusammen, wenn man auch engagiert ist. Man soll sich nicht Modeströmungen unterwerfen. Man muss das Problem selbst sehen, es verstehen und es lösen wollen. Dazu gehört nicht zuletzt eine große Portion Selbstvertrauen. Es ist wichtig, dem eigenen Denkansatz, der eigenen Lösungsfähigkeit Vertrauen entgegenzubringen.
Das Interview führten Mag. Natascha Riahi und Irene Brunner
Projektleitung: Mag. Helga Stadler