Sabine Mitterer


Aktuelles Arbeitsgebiet:

Projektleitung und Programmmanagement des ÖkoBusinessPlan Wien. Das ist ein zirka 700.000 Euro umfassendes Service- und Förderprogramm für Betriebe mit dem Ziel, vorsorgenden und integrierten Umweltschutz in Wiener Unternehmen zu implementieren und durch konkrete Umweltmaßnahmen die negativen Umweltauswirkungen der Wiener Betriebe zu senken. Unter dem Dach des ÖkoBusinessPlan Wien gibt es verschiedene Module, die sich an unterschiedliche Zielgruppen unter den Wiener Betrieben richten. Siehe auch www.oekobusinessplan.wien.at


Wissenschaftliche Laufbahn:


Sabine Mitterer und die Physik:

(Der folgende Text basiert auf einem Interview, das im Juni 2003 geführt wurde)

Wie sind Sie zur Physik gekommen?

Mich hat schon immer interessiert, Dingen auf den Grund zu gehen und "die Materie" zu verstehen. Aber ich wäre in der Schule überfordert gewesen, mir zu überlegen, welches Berufsbild ich in mir sehe und wo ich hintendiere. Für die Matura hat es mich dann eher in Richtung Physik gezogen. Und in den Wochen nach dem Schulabschluss bin ich mit dem Studienführer in der Sonne gelegen und habe nach intensivem Durchblättern entschieden, Physik zu studieren. Und da ich ein praxisbezogenes und umsetzungsorientiertes Studium wollte, war für mich klar, dass es die Technische Universität sein müsse.

Ich hatte keine Vorstellungen von einem bestimmten Berufsbild – ich konnte mir eigentlich nicht vorstellen, was man als Physikerin alles machen kann. Aber dass die Mathematik – die mir immer leicht gefallen ist – sehr prominent in das Studium eingebunden war, hat mich zusätzlich fasziniert und sehr angesprochen.

Meine Eltern waren bei dieser Entscheidungsfindung eine große Unterstützung, indem sie mir bei meiner Studienwahl völlige Freiheit ließen. Sie hatten mich auch in dem Geist erzogen, dass man sich als Frau nicht von einem Mann abhängig machen soll – das fängt beim eigenen Einkommen an und hört beim Bilderaufhängen oder Reifenwechseln auf.

Welche Fähigkeiten haben Sie mitgebracht - was mussten Sie sich erarbeiten?

Mitbringen sollte man grundsätzlich ein gutes mathematisches Verständnis und eine gewisse Hartnäckigkeit für den Fall, dass sich einem die physikalischen Zusammenhänge nicht gleich eröffnen.

Was man lernt, ist, sich mit einer Sache so lange zu beschäftigen, bis man sie wirklich verstanden hat. Also nur durchlesen und wiedergeben ist nicht gefragt, man muss sich in ein Thema hineinarbeiten und bis zu einer gewissen Tiefe vordringen. Da ist auch eine gewisse Hartnäckigkeit sich selbst gegenüber eine Grundvoraussetzung.

Das Studium schärft dann den Blick für das Wesentliche, bildet die Fähigkeit aus, Systeme zu erkennen oder Probleme zu isolieren. Man lernt, bei Prozessen sofort zu erkennen, wo es eckt.

Komplett ausgeblendet wird im Studium, wie man eine "gute" Kommunikation aufbaut, das Zuhören und wie man sich in die Lage des anderen versetzen kann. Und letztendlich auch die Fähigkeit, jemandem zu glauben, dass das tatsächlich so ist, weil er/sie das aus seiner/ihrer Wahrnehmung so erlebt. Die Antwort, "das kann nicht sein", wenn man ein Problem geschildert bekommt, wird allzu schnell gegeben. AnwenderInnen, die vor einer Blackbox sitzen, erleben Vorgänge anders – da braucht es ein Gespür dafür. Da muss man realisieren, wie man auf Leute zugehen kann und auch Sachen auf einfache Art erklären kann, so dass es verständlich ist.

Ich meine, diese Fähigkeiten schon mitgebracht zu haben, sie waren während der Schul- und Studienzeit allerdings nicht gefragt – was ich für erschreckend halte. Mit Augenzwinkern lassen sich physikalische Grundaussagen wie "jede Messung verändert das Experiment" – durchaus auch auf die Kommunikation innerhalb einer Arbeitsgruppe umlegen: Allein, dass man eine Frage stellt bzw. wie man eine Frage stellt, verändert die Situation und das Ergebnis (die Antwort). Das nenne ich tatsächlich universell.

In meinem aktuellen Tätigkeitsbereich brauche ich zu alledem Managementfähigkeiten und habe dafür eine spezielle Ausbildung gemacht. Meine Arbeit hat sich mittlerweile zwar von der Wissenschaft und der Physik etwas weg entwickelt, aber das analytisch geschulte Denken kommt auch hier enorm zum Tragen.

Nach welchem Motto leben Sie?

Ich habe eigentlich kein Lebensmotto. Das einzige, was mir dazu einfällt, ist folgender Spruch eines ehemaligen Klassenvorstandes in meinem Stammbuch: "Wer auf seinen Lorbeeren sitzt, der trägt sie an der falschen Stelle." Das trifft es ganz gut, ich habe eigentlich schon das Gefühl, dass man etwas umsetzen kann, wenn man nur will. Es ist zwar nicht immer ganz leicht, aber mit der schon angesprochenen Hartnäckigkeit geht dann erstaunlich viel. Und damit hat man schon eine andere Einstellung, zieht die Mundwinkel nicht nach unten, sondern freut sich auch über Etappensiege, die man erringt. Und umgekehrt: Über etwas, das ich nicht ändern kann, brauche ich nicht tagelang zu sinnieren.

Wie erging es Ihnen während des Studiums?

Ich habe mich für dieses Studium mit der selbst gewählten Auflage entschieden, dass, wenn es die ersten zwei Semester gut geht, ich weiter mache – geht es nicht gut, steige ich gleich aus. Dann hat es gut geklappt, es hat Spaß gemacht und die Kollegen waren nett – also blieb ich einfach dabei. Das Studienumfeld habe ich als sehr kollegial empfunden.

Es war mit rund 100 Studienanfängern – davon max. 10 Frauen – eine relativ überschaubare Gruppe. In den Tutorien war es wirklich fast familiär, man fühlte sich gleich wohl. Es war ein gegenseitiges Weiterhelfen und keine Konkurrenzsituation. Daher kam auch stets ein Teil meines Freundeskreises aus der Physik – eben auch, weil ich mich in diesem Bereich sehr wohl gefühlt habe.

Von den Professoren wurden Frauen einerseits bevorzugt – was ich eigentlich immer für schlecht gehalten habe, weil diese dann oftmals im zweiten Abschnitt enorme Probleme hatten oder sich nach Studienabschluss in der freien Wirtschaft nicht durchsetzen konnten – oder man musste für die gleiche Anerkennung doppelt oder dreifach so viel Leistung erbringen. Es wurde leider nicht wirklich mit gleichem Maß gemessen. Aber das musste man eben akzeptieren und entsprechende mehr leisten.

Zur Diplomarbeit hat es mich in Richtung Medizin gezogen. Bei einer Arbeitsgruppe, von der ich durch Zufall erfahren habe, konnte ich ein Praktikum machen, das sich mit der Messung des von "fressenden" Leukozyten (Blutzellen) ausgesandten Lichts beschäftigte. Und dann machte ich ein weiteres Praktikum und in Folge auch Diplomarbeit und Dissertation im Zusammenhang mit menschlichen Hornhäuten, die wie Kontaktlinsen den Patienten auf das Auge gelegt und am Rand angenäht werden. Damit konnte man extrem starke Kurz- oder Weitsichtigkeit behandeln. Zusammengearbeitet wurde mit der damaligen II. Universitäts-Augenklinik.

Wie kamen Sie zu Ihrem derzeitigen Arbeitsgebiet?

Nach dem Studium habe ich wieder durch Zufall erfahren, dass in einem Krankenhaus für die Abteilung für Strahlentherapie ein Physiker gesucht wird. Ich habe mich beworben und die Stelle auch bekommen. Ich hatte ja schon in diesem Bereich "geschnuppert", konnte mit Ärzten gut umgehen und habe verstanden, was sie – ohne es technisch fundiert auszudrücken - meinten. Das ist einfach notwendig, wenn man interdisziplinär arbeiten will. Es wurde von den Ärzten und den anderen Berufsgruppen sehr gut angenommen, dass es eine Physikerin gibt, die nicht nur den technischen Teil sah, sondern technisch anspruchsvolle Inhalte einfach kommunizieren konnte. Darauf wird an den Universitäten einfach zu wenig geachtet.

Die ersten Arbeitswochen stellten eine ausgesprochen witzige Situation dar: es war eher ein skeptisches Beäugen, da ich an diesem Krankenhaus der erste Physiker war und noch keiner so richtig wusste, wozu man diese nun brauchen könnte. Das Eis gebrochen hat dann ein Röntgengerät, dessen Geometrie im Vergleich zu einem anderen verändert war und demzufolge die Einstellungswerte für die Patienten angepasst werden mussten. Ich habe die Werte neu berechnet, es hat alles gepasst, und schon waren alle begeistert und plötzlich war klar, dass man "die neue Physikerin" wirklich zu etwas gebrauchen kann.

Die Strahlentherapie war in der Folge für mich ausgesprochen faszinierend, weil vom Aufbau des Institutes bis zur Installation der Großgeräte und dann im Rahmen des Betriebes eines der modernsten Institute weltweit mitzuführen, war alles dabei. Und dann kam nach einigen Jahren des Routine-Betriebes der erschreckende Moment, in dem mir klar wurde, dass ich dieses dann immer Gleiche nicht bis zur Pensionierung machen wollte. Und in dieser Phase bin ich von der Magistratsabteilung 22 – meiner derzeitigen Dienststelle – angerufen worden, ob ich den ÖkoBusinessPlan, den es bereits gegeben hat, umstrukturieren und weiter ausbauen möchte. Man brauchte ein neues Programmmanagement und für diese Aufbauarbeit einer tragfähigen Struktur hatte man sich mich vorgestellt.

Ich habe mir die Pläne angehört und dann tatsächlich diesen Job angetreten, habe jetzt umorganisiert und neue Strukturen angelegt. Im Moment beschäftigen wir uns intensiv mit der Weiterentwicklung des sehr erfolgreichen Projektes.

"Ich ganz persönlich"

Da gibt es eine ganze Menge an Dingen, die ich gerne mache: Ich gehe gerne in Aerobic – das ist ein wunderbarer Ausgleich zur sitzenden Arbeit im Büro. Nach zwei Stunden Gymnastik fühle ich mich wieder gerade und ausgeglichen. Ich habe mal gerne getöpfert und bemale Seide. Ich lese sehr gerne und wir gehen tauchen. Die Arbeit in unserem Garten ist je nach Zeitbudget Hobby oder Arbeit. Überhaupt ist das Haus etwas außerhalb Wiens ein Refugium – auf der Fahrt nach Hause kann man wunderbar den Büroalltag zurücklassen. Beim Umbau des Hauses konnte ich seinerzeit ein weiteres "Hobby" von mir ausleben – während des Studiums war mit immer die Darstellende Geometrie abgegangen. Beim Hausbau konnte ich mich diesbezüglich "austoben", habe die Pläne gezeichnet und mit dem Baumeister abgesprochen. Kulturell bin ich an sich sehr interessiert, aber meine Arbeit lässt diesbezüglich derzeit nicht viel Raum. So setzen wir gemeinsame Schwerpunkte, welche Aufführungen bzw. welche Festspiele wir sehen wollen.

Es gibt aber noch viele Dinge, auf meinem Plan stehen: Ich will auf jeden Fall einmal ins Neujahrskonzert und ein Tennismatch in Wimbledon sehen. Ich würde auch gerne mal eine Fahrt auf der Donau bis zum Schwarzen Meer machen oder eine Atlantikfahrt – aber nicht auf einem Passagierschiff, sondern auf einem Frachtschiff mit ganz wenig Passagierkabinen.

Und beruflich ist eben mein Anspruch, dass ich einen Job habe, der Spaß macht, an dem ich irgendwie hänge und wo ich die Möglichkeit habe, etwas umzusetzen. Da kann ich mich dann hineintigern – das ist für mich das Wesentliche im Beruf.

Welchen Rat würden Sie Mädchen oder Frauen mit auf den Weg geben, wenn sie Physik studieren möchten ?

Ich wurde von einem Vorbereitungspraktikanten, den ich damals betreut habe, gefragt, wie man als Frau dazu kommt, Technische Physik zu studieren; denn das sei doch nichts für Frauen. Und das war nicht vor 100 Jahren, sondern gerade mal vor 15 Jahren. Ich habe das schon als schlimm empfunden, dass heutzutage noch solche Fragen gestellt werden.

Es ist mir schon ein Anliegen zu vermitteln, dass sich Mädchen von solchen Erwartungshaltungen nicht beeinflussen lassen sollen, wenn wieder einmal alle rundherum meinen, etwas sei untypisch und dies und das kann man als Mädchen oder Frau nicht tun. Es ist schon erschreckend, wenn man sieht, wie mit kleinen Kindern umgegangen wird. Kleine Mädchen dürfen sich nicht schmutzig machen und sollen möglichst adrett und artig sein, die kleinen Buben dürfen aber herumtollen und keiner findet etwas dabei. Also da kann ich den Mädchen und jungen Frauen nur raten, führt euch auf ...

Zu Beginn des Studiums muss einer Studentin klar sein, dass sie sich durchsetzen und eine gute Leistung zeigen muss, damit sie wirklich ernst genommen wird. Es ist nicht so ganz leicht, sich in der männlich dominierten "Technischen Gesellschaft" als Frau zu behaupten. Aber wenn man das geschafft hat, gibt es auch Vorteile. Für Frauen ist es leichter als für Männer, von Normen abzuweichen. Die Gesellschaft schreibt den Geschlechtern bestimmte Verhaltensmuster zu – weichen Männer davon ab, sind die Reaktionen meist abwertend und höhnisch. Als Frau kann man diese Grenzen leichter überschreiten oder zumindest ausdehnen, man erzielt zumindest einen Achtungserfolg.

Und wenn eine Frau Physik studieren will, dann soll sie es doch einfach tun. Man kann sich damit gut profilieren. Diese Studienrichtung hat ein gutes Renommee, das ist wirklich sagenhaft - warum auch immer. Es ist eine Phase im Leben, die unheimlich spannend ist und in der man sich auch als Persönlichkeit weiterentwickelt. In dieser Zeit soll man das tun, was man sich in den Kopf setzt. Und sei es, als Frau einfach Technische Physik zu studieren.


Das Interview führten Irene Brunner und Mag. Katharina Durstberger
Projektleitung: Mag. Helga Stadler

Links:

http://www.oekobusinessplan.wien.at