Ich beschäftige mich derzeit vor allem mit den Auswirkungen des globalen, anthropogenen Klimawandels auf Österreich. Das bedeutet, dass wir, zum Beispiel, mit Modellen errechnen, welche Temperaturen bei einem globalen Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius in 100 Jahren in Wien auftreten; Was es für den Niederschlag, für die Andauer der Schneedecke oder den Wasserstand des Neusiedlersees, bedeutet. Wir arbeiten auch mit den KollegInnen der Landwirtschaft, des Forstes und des Tourismus zusammen, um ihnen die Informationen zu liefern, die sie brauchen, um, zum Beispiel, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels zu ermitteln.
Meteorologie und Klimatologie, insbesondere Umweltmeteorologie, Schadstoffausbreitung und anthropogene Klimaänderung
(Der folgende Text basiert auf einem Interview, das im Juli 2006 geführt wurde)
Wie sind Sie zur Meteorologie gekommen?
Da ich keinen festen Berufswunsch hatte, habe ich ungefähr zur Zeit der Matura
Broschüren gewälzt, um herauszufinden, was es so an Berufen und Studien gibt. Zur Meteorologie bin ich
gekommen, weil ich mit der Natur zu tun haben wollte. Meteorologie war außerdem attraktiv, weil es nicht so
viele Leute studiert haben.
Es hat sich dann im ersten Berufsjahr – wie so oft – herausgestellt, dass ich etwas ganz anderes
gemacht habe, als ich mir vorgestellt hatte. Ich habe mich mit Luftreinhaltung, genauer mit Schadstoffausbreitung
in der Atmosphäre, beschäftigt. Den Großteil meiner Zeit habe ich daher hinter Computern oder in
Fabriken mit rauchenden Schloten verbracht. Das ging dann soweit, dass ich durch die Landschaft gefahren bin und
nur mehr Schornsteine und Abgasfahnen wahrgenommen habe. Das hat nicht mehr sehr viel mit der Natur zu tun gehabt.
Später habe ich mich auch mit der Ozonschicht und ihrer Gefährdung und mit dem Klimawandel beschäftigt.
Ich befasse mich also schon mit der Natur, wenn auch nicht in einem erfreulichen Sinn.
Wie ist es Ihnen in der Schule in Bezug auf Naturwissenschaften ergangen?
In der Schule hat mich fast alles interessiert. Die Naturwissenschaft, das Logische und das Kausale, aber besonders. Ich bin allerdings der Meinung, dass ich, ganz gleich, was ich studienmäßig oder beruflich angefangen hätte, auch mit Interesse weitermachen hätte können. Ich habe dadurch, dass ich die Schule sooft gewechselt habe – meine Eltern waren im diplomatischen Dienst tätig – viele verschiedene Lehrer und Lehrerinnen gehabt. Lehrer und Lehrerinnen können Interesse wecken oder es ersticken. Mit manchen Wissensbereichen kommt man in der Schule gar nicht in Kontakt. Es gibt Bereiche – zum Beispiel ist die Chemie für mich so ein Bereich – wo ich das Gefühl habe, wenig zu wissen, weil ich in der Schule nicht genug darüber gelernt habe. Das hängt mir immer noch nach, obwohl ich nach dem Studium sogar Privatstunden bei einer Bekannten genommen habe, um mir die Kenntnisse, die ich eigentlich aus der Mittelschule hätte mitbringen müssen, zu erarbeiten. Aber es ist wesentlich effizienter, wenn man sich das Grundwissen in der Schule erwirbt.
Welche speziellen Fähigkeiten haben Sie mitgebracht, was mussten Sie sich erst erarbeiten?
Ich glaube, ich habe eine gewisse Ausdauer mitgebracht und einen relativ systematisch ordnenden
Verstand. Mir fällt es relativ leicht, Strukturen und Systeme zu erkennen oder zu erzeugen. Das erleichtert
ein naturwissenschaftliches Studium ungemein. Aber das kann man sich auch erwerben – in Grenzen, versteht sich.
Es gibt einige Grundvoraussetzungen, damit man im Studium weiter kommt. Dazu gehört auf der einen Seite
sicher Ausdauer, auf der anderen Seite auch eine gewisse Toleranz für Frustration und Misserfolg. Ich
beobachte oft bei Studierenden, dass bei der ersten Lehrveranstaltung, die nicht nur interessant und lustig
ist, sondern bei der man sich hinsetzen und über Langweiliges hinwegkommen muss, gleich von Studienwechsel
oder –abbruch die Rede ist. Es gibt aber kein Studium, bei dem von vornherein alles faszinierend und
spannend ist. Ich glaube, dass alles spannend und faszinierend werden kann, wenn man sich darauf einlässt
und sich damit beschäftigt, aber ich glaube nicht, dass das immer sofort zu erkennen ist.
Wie erging es Ihnen während des Studiums?
Im Großen und Ganzen sehr gut. Es gab aber auch in meinem Studium Lehrveranstaltungen, die keinen oder nur wenig Spaß gemacht haben. Hätte ich mich allerdings mit diesen Themen intensiver beschäftigt, dann wären sie sicher auch interessant geworden. Es war eine Zeitfrage. Es gibt eben Lehrveranstaltungen, die man versucht mit einem Minimum an Aufwand zu absolvieren. Manchmal bereut man es hinterher, wenn sich herausstellt, dass man gerade diese Inhalte brauchen würde.
Wie ergeht es Ihnen als Frau in Ihrem Beruf?
Als ich studierte, waren wir in meiner Studienrichtung in meinem Jahrgang nur zwei Frauen.
Allerdings studierten insgesamt nur Wenige Meteorologie. Von den Lehrenden her, kann ich mich an keine einzige
Frau erinnern. Das ist mir aber damals gar nicht aufgefallen. In der Physik und Mathematik gab es Assistentinnen,
aber die Lehrveranstaltungen wurden alle von Männern gehalten. Ich habe dem keine wirkliche Beachtung
geschenkt. Bewusst geworden ist es mir erst im Beruf, wenn ich zu Veranstaltungen oder Tagungen gefahren bin, und
der Vorsitzende uns mit „Meine Dame, meine Herren.“, begrüßt hat. Und noch deutlicher
später, als an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik eine Umstrukturierung erfolgt ist,
und mir dann Aussagen wie: „Also eine Frau als Vorgesetzte möchte ich nicht haben!“ zu Ohren
gekommen sind. Ich verstehe völlig, wenn jemand sagt: „Die Kolb möchte ich nicht als Vorgesetzte
haben.“ Aber als ich verstand, dass sich die Aussage auf mich als Frau bezog, ist mir die Tragweite des
Problems erst bewusst geworden. Die Zahlen sprechen natürlich auch für sich: Bei fortschreitendem
Ausbildungsgrad geht der Anteil der Frauen dramatisch zurück. Früher war das kein Thema, weil auch
viel weniger Frauen studiert haben, aber heute ist das anders.
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich, weil ich eine Frau bin, zurückgesetzt wurde. Ich halte das auch
für eine sehr gefährliche Annahme. Wenn man etwas nicht erreicht, dann ist das ein Anlass, sich zu
überlegen, ob es etwas gibt, das man einfach (noch) nicht kann, oder wo man sich verbessern könnte. Sagt
man da zu schnell: „Ja ist eh logisch, ich hab’s nicht bekommen, weil ich eine Frau bin.“, dann
lernt man nichts dazu; dann erkennt man nicht, wo man sich verbessern kann. Natürlich sollte man den
Geschlechteraspekt auch nicht ganz außer Acht lassen. Aber als Frau tut man gut daran, sich das Frausein
nicht zu früh als Ausrede parat zu legen.
Was ist Ihr derzeitiges Arbeitsgebiet und wie sind Sie dazu gekommen?
Ich beschäftige mich derzeit vor allem mit den Auswirkungen des globalen,
anthropogenen Klimawandels auf Österreich. Das bedeutet, dass wir, zum Beispiel, mit Modellen errechnen,
welche Temperaturen bei einem globalen Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius in 100 Jahren in Wien auftreten;
Was es für den Niederschlag, für die Andauer der Schneedecke oder den Wasserstand des Neusiedlersees,
bedeutet. Wir arbeiten auch mit den KollegInnen der Landwirtschaft, des Forstes und des Tourismus zusammen, um
ihnen die Informationen zu liefern, die sie brauchen, um, zum Beispiel, die wirtschaftlichen Auswirkungen des
Klimawandels zu ermitteln.
Aber dass ich mich damit befassen würde, war nach dem Studium keineswegs klar. Wenn man sein Leben nicht auf
ein ganz konkretes Ziel ausrichtet, spielen Zufälle eine große Rolle. Wäre nicht zufällig
eine Assistentenstelle frei geworden, als ich gerade mein Studium abschloss, wäre ich jetzt wahrscheinlich
in einem ganz anderen Zweig der Meteorologie tätig.
Über die Assistentenstelle bin ich zur Luftreinhaltung gekommen. Weil mein damaliger Chef Gutachten zur
Schadstoffbelastung der Luft erstellte, beschränkte sich meine Tätigkeit interessanter Weise nicht nur
auf das wissenschaftliche Arbeitsgebiet an der Universität. Wir haben sehr viel mit Umweltbewegungen zu tun
gehabt, die damals gerade entstanden sind. In dieser Zeit habe ich vor allem gelernt, dass man immer über den
Tellerrand schauen muss, wenn man in Umweltdiskussionen bestehen will. Es reichte nicht, sich mit der
meteorologischen Literatur auseinandergesetzt zu haben. Weil ich sehr viel zusätzlich gelesen habe, hat sich
auch mein Interessensgebiet wesentlich erweitert.
Ich bin dann vom Umweltministerium – mehr oder weniger als Verlegenheitslösung, weil keiner fahren
wollte – zu einer Tagung nach Villach geschickt worden. Es handelte sich dabei um eine Klimakonferenz. Ich
habe mir nicht sonderlich viel erwartet, aber es hat sich herausgestellt, dass das eine der Schlüsselkonferenzen
zum Thema Klimawandel war. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben dort zum ersten Mal gesagt, dass der
Klimawandel ein Thema sei, mit dem sich Politik und Gesellschaft beschäftigen müssten. Dieser Aufruf ist
zwar noch zwanzig Jahre lang nicht gehört worden, aber mich hat das interessiert. Ich habe dann systematisch
die Literatur weiter verfolgt und angefangen auf diesem Gebiet zu arbeiten. Wir haben kurz darauf im Rahmen der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften die erste Studie über mögliche Folgen des Klimawandels
auf Österreich gemacht.
Das Fachgebiet Klimawandel war und ist in zweierlei Hinsicht faszinierend: Zum einen, weil es wirklich gesellschaftlich
unheimlich relevant ist, und ich glaube, dass hier die Wissenschaft und auch der einzelne Wissenschaftler, die einzelne
Wissenschaftlerin, Verantwortung trägt. Man kann sich nicht darauf ausruhen, dass man etwas in einem meteorologischen
Journal publiziert hat, und wenn es die Öffentlichkeit nicht wahrnimmt, ist das ihre Schuld. Man muss sich auch
um Öffentlichkeit für die Erkenntnisse bemühen. Zum anderen ist es so, dass sich die Wissenschaft um
Themen, die relevant werden, schart. Dann geht auch inhaltlich und wissenschaftlich sehr viel weiter. Das macht die
Sache besonders spannend.
"Ich ganz persönlich"
Der Anteil, den man als persönliche, private Zeit bezeichnet, hat im Laufe meines Lebens ständig abgenommen. Ich bin mit einem Physiker, der in die kritische Betrachtung der Kernenergie eingestiegen ist, verheiratet. Wir haben gemeinsam ein Institut für Risikoforschung entworfen und er hat es dann an der Universität Wien umgesetzt. Wir arbeiten immer noch viel zusammen. Das ist der Freizeit nicht dienlich. Andererseits macht es viel Freude gemeinsam zu arbeiten und zu wissen, dass man die gleichen Sorgen, aber auch die gleichen Interessen und Erfolge, teilt. Wenn wir uns Freizeit nehmen, dann sind wir gerne in der Natur. Wir gehen einigermaßen regelmäßig laufen. Ich habe viele Jahre Orientierungslauf als Leistungssport betrieben. Zusätzlich war ich zehn Jahre lang Trainerin der österreichischen Nationalmannschaft. Mein Mann und ich gehen auch Ski fahren, vor allem unternehmen wir gerne Skitouren. Früher war ich jedes Wochenende unterwegs, jetzt gönnen wir uns nur mehr zwei Wochen im Jahr. Wir musizieren ein bisschen zu Hause. Ich habe eigentlich vor, wieder mit dem Klavierspielen anzufangen. Ich habe es zwar nie gut gekonnt, aber ich spüre, dass ich jetzt gern wieder mehr Musik in meinem Leben hätte.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Motto direkt habe ich keines. Aber ich glaube schon, dass gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein bei mir einen relativ hohen Stellenwert hat. Wobei Gesellschaft für mich zweierlei Dinge bedeutet: Einerseits die Universität: Was kann ich für die Universität tun, was braucht sie? Andererseits die Gesellschaft an sich – in Österreich und global. Wenn man mit einem Thema wie dem Klimawandel konfrontiert ist, und sieht, dass gewaltige Umwälzungen auf uns zukommen, dann stellt man sich schon die Frage, wie gerechtfertigt es ist, meteorologische Forschung im Detail zu betreiben. Müsste man nicht an noch zentraleren, interdisziplinären Themen arbeiten? Ich versuche, eine gewisse Balance zu halten. Am Institut widme ich mich eher dem fachwissenschaftlichen Teil und bei den universitätsübergreifenden Aktivitäten habe ich stärker die globalen Probleme im Auge.
Welchen Rat würden Sie Mädchen und jungen Frauen mitgeben, die ein naturwissenschaftliches Fach studieren wollen?
Wenn sie Naturwissenschaften interessieren, sollen sie es auf jeden Fall tun! Sie sollen sich
wirklich auf das Studium einlassen; sich mit den Fächern, die ihnen geboten werden, auseinandersetzen. Sie
sollen auch über die Pflichtlehrveranstaltungen hinausschauen um einen breiteren Horizont zu bekommen.
Ich würde ihnen empfehlen, sich auf Inhalte und Methoden des Faches zu konzentrieren und nicht darauf,
dass sie eine Frau sind. Einfach den Weg gehen und sich sagen: „Ich will das!“ und versuchen es zu
erreichen. Offen sein für Angebote. Zum Beispiel, aufmerksam in einer Lehrveranstaltung sein, die
faszinierend ist, die einen vielleicht in eine Richtung führt, an die man gar nicht gedacht hat.
Oder auch mitarbeiten, wenn irgendwo eine Projektmitarbeiterin gesucht wird. Je früher man in einen
engeren Kontakt mit den Forschenden kommt, desto leichter versteht man, was Forschung ist, und desto
leichter wird auch der Weg in die Forschung. Ich suche jetzt öfters Hilfe für eine Detailarbeit,
vielleicht sogar etwas Langweiliges. Ein Student oder eine Studentin meldet sich und macht das gut. Dann
kommt das nächste Problem, das ist schon ein bisschen anspruchsvoller, und da fallen mir natürlich
die Studierenden ein, die ich schon kenne, und ich wende mich an sie. Daraus können mit der Zeit
Diplomarbeiten, Dissertationen oder feste Anstellungsverhältnisse, werden. Das Heraustreten aus der
anonymen Masse ist etwas ganz Wichtiges. Mir fallen in den Vorlesungen oft Studierende auf, die nachfragen,
die zeigen, dass sie weiter denken und interessiert sind. Aber bei dreihundert Hörern und Hörerinnen
verbinde ich keinen Namen mit den Gesichtern, erkenne daher auch ihre Prüfungsarbeiten nicht, und wenn
die Vorlesung vorbei ist, verschwinden sie und ich habe keine Ahnung, wer sie waren. Das tut mir leid, denn
es hätte sich vielleicht eine Möglichkeit gefunden, das Interesse weiter zu fördern. Deswegen
halte ich es für wirklich wichtig, dass Studierende einen persönlichen Kontakt herstellen. Das muss
nicht gleich im ersten Semester sein, aber im Laufe des Studiums ist es essentiell.
Das Interview führten Mag. Lisa Fenk und Michaela Platzer
Projektleitung: Mag. Helga Stadler
Helga Kromp-Kolb an der Universität für Bodenkultur Wien