Ille Gebeshuber


Aktuelles Arbeitsgebiet:

Ich mache hauptsächlich Experimentalphysik und da überstreichen meine Arbeiten eigentlich verschiedenste Bereiche. Von Grundlagenforschung über angewandte Forschung bis hin zu wirklich reiner Auftragsforschung.

In der Grundlagenforschung sind wir zum Beispiel in einem EU-Projekt, bei dem es um Biomoleküle auf Oberflächen geht. Die Oberflächen werden mit Ionen beschossen, dadurch entstehen Nanodefekte, an denen die Biomoleküle haften bleiben. Diese Nanodefekte haben verschiedene Größe, verschiedene Höhe, verschiedene Ausdehnung – abhängig von der potentiellen Energie der Ionen, also von der Ladung. Das ist einmal die Grundlagenforschung.

Angewandte Forschung, also Forschung mit Industriebezug - auch Kooperationen mit Industriebetrieben – liegt im Bereich der Tribologie. Wir untersuchen zum Beispiel Schmierstoffschichten, die wirklich nur mehr eine Moleküllage dick sind. Das findet Anwendung bei ganz, ganz kleinen Maschinen. Diese mikroelektromechanischen Maschinen, von denen zwanzig, dreißig, vierzig, hundert nebeneinander den Durchmesser eines Haares ergeben, kann man ja nicht schmieren, indem man einfach einen Tropfen Öl drauf gibt. Der wäre ja tausendmal größer als die Maschine selbst. Deswegen ist diese Oberflächenfunktionalisierung durch monomolekulare Schmierstoffschichten eben ein möglicher Zugang. Das machen wir im Rahmen eines großen EU-Projekts namens WEMESURF.

Das dritte ist die reine Auftragsforschung. Das heißt, irgendeine Firma bemerkt, dass wir bei uns am Institut oder in unserer Arbeitsgruppe so coole, schöne oberflächenanalytische Methoden verwenden. Die kommen dann auf uns zu und sagen: messt uns bitte diese Proben, wir bringen euch zwanzig vorbei.

Was mir eben so große Freude macht ist, dass ich alle drei Bereiche vereine, weil ich alle drei wichtig und gut finde und auch als Aufgabe der Universitäten erachte

Wissenschaftliche Laufbahn:

Ille Gebeshuber und die Physik:

(Der folgende Text basiert auf einem Interview, das im Mai 2008 geführt wurde)

Wie sind Sie zu Ihrem derzeitigen Arbeitsgebiet gekommen?
Was fasziniert sie besonders am Thema Nanotechnologie?

Was mich an der Nanotechnologie so fasziniert ist, dass das eine Wissenschaft ist, die so viele verschiedene interessante Bereiche in sich vereint. Man kann Biologie, Physik, Mathematik, Chemie, Materialwissenschaften im ganz, ganz Kleinen machen und die treffen sich da ja auch. Ich meine, ist das jetzt Materialwissenschaft oder ist das Chemie oder ist das Biologie, wenn man sich einzelne Moleküle in Interaktion anschaut?  Mich hat ja immer schon die gesamte Naturwissenschaft interessiert. Für mich stellt die Physik eine solide und gute Basis dar, von der aus ich in die verschiedensten Wissensgebiete reingehen kann. Da ist natürlich die Nanotechnologie ein Thesaurus – die Büchse der Pandora darf man nicht sagen, weil das ist etwas schlimmes. Aber das ist, wie wenn man eine Schachtel mit Edelsteinen aufmacht und da sind lauter  bunte Dinger drinnen. Jedes ist interessant und jedes ist schön. Mir gefällt, dass wir jetzt erstmals die Fähigkeit haben, diese Sprache des Lebens, die Sprache der Biologie, uns nicht nur anzuschauen, nicht nur zu verstehen, sondern auch selbst zu sprechen. Das finde ich unheimlich interessant, aber das birgt natürlich auch Risiken in sich.

Ich versuche, das auch immer meinen Studierenden zu sagen, dass Sie eben aufpassen müssen - jetzt sind wir in einem Bereich, der sehr knapp an die Sprache,  oder der schon die Sprache des Lebens ist. Wenn wir jetzt natürlich anfangen, zum Beispiel wie Craig Venter Synthetic Biology zu machen, müssen wir uns schon selbst sehr genau auf die Finger schauen. Das Leben hat lange genug Zeit gehabt, sich während der Evolution nicht selbst zu zerstören. Wenn wir jetzt mit dieser Sprache da reinkommen, dann kann es natürlich sein, dass wir, unerfahren wie wir sind, einen großen Blödsinn machen. Ich sehe die Gefahr und ich denke, wir sollten alle in der Richtung aufpassen, vorsichtig sein und nicht alles tun was machbar ist.

Wie sind Sie zur Physik gekommen?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Im Nachhinein kann man sich das natürlich immer gut zurecht legen: Physik ist eine solide Basis, wenn man da eine gute Ausbildung hat, kann man in viele verschiedene Richtungen spielen. Das ist die Erklärung, die ich lange gehabt habe. Aber ich bin selber im Laufe der letzten Jahre draufgekommen, dass es das eigentlich nicht wirklich ist.
Als ich ungefähr fünf war – ich bin in der Steiermark groß geworden und da hatten wir ein Haus und einen großen Garten - bin ich immer ganz begeistert im Garten mit meiner Miezekatze herumgelaufen, hab mir alles ganz genau angeschaut. Da hab ich irgendwann einmal entdeckt, dass es Samen gibt, dass von den Pflanzen diese Samen runterfallen und hab mich total gewundert, wofür dieses Ding ist. Irgendwann bin ich dann draufgekommen, dass eben aus diesen Samen auf einmal wieder neue Pflanzen wachsen. Ich bezeichne das noch immer als meine größte wissenschaftliche Entdeckung. Das war einfach dieses genaue Hinschauen und dieses Nachfragen und dieses Beobachten, was mir immer schon Spaß gemacht hat.

Als ich dann so 17, 18 war und es darum ging, mich zu entscheiden, was ich jetzt wirklich studiere, war es natürlich die Mathematik – Zahlen, Theorien – wunderschön. Aber was arbeitet man als Mathematikerin? Ich muss sagen, ich komme aus einer einfachen Familie, in der ich die erste bin, die jemals studiert hat und die jemals überhaupt ins Gymnasium gegangen ist. Ich hatte keine Vorbilder, ich hatte keine Wissenschafter oder Ärzte oder sonst irgendjemanden in der Familie, so dass ich mir gedacht hätte, 'aha, der Onkel Franzi hat das gemacht, der war Zahlentheoretiker'. Für mich waren das zwar interessante, schöne Sachen, aber ich habe mir nicht vorstellen können, dass man das arbeitet und davon wirklich leben kann.
Es war also die Mathematik interessant, es war natürlich die Biologie interessant, es war natürlich die Medizin interessant – ich wäre unheimlich gern Unfallchirurgin geworden. Allerdings war das zu einer Zeit, in der man streng davon abgeraten hat, Medizin zu studieren.

Bei der Physik war es dann so: Ich bin mit dem Studienführer dagesessen und habe mir das alles angeschaut, die Uni und die TU und auf einmal habe ich gesehen, dass man, wenn man auf der TU studiert, Diplomingenieurin wird und. ich dachte mir: 'mah, das ist super!' .Bei uns waren alle, also die Diplomingenieure, sowieso nur Männer und die waren alle sehr hoch angesehen. Da hab ich mir gedacht, das möchte ich auch werden. So stand schon mal die Technik fest. Dann habe ich gesehen, dass in Physik die Ausfallsquote bei 73 Prozent liegt und mir gesagt, ja, ich werde das jetzt schaffen. Ich habe es dann geschafft – mit Auszeichnung geschafft – und dann war alles ganz super. Das war also so gesteuert und nicht durch irgendwelche Vorbilder, schon durch Interessen, aber es hätte genauso gut die Biologie oder die Medizin sein können. Ich hätte dann wahrscheinlich in der Biologie oder in der Medizin etwas sehr ähnliches gemacht, wie ich jetzt mache, weil ich versuche ja jetzt auch, die Biologie und die Medizin und das alles hinein zu bringen. Ich hätte dann halt eine andere Basis, aber ich glaube, im Endeffekt wäre es vielleicht gar nicht so unterschiedlich gewesen.

Wie erging es Ihnen während des Studiums?

Es war super. Die ganze Uni-Welt mit diesen vielen, verschiedenen Forschungsrichtungen und ich hab vielleicht 200 Stunden mehr gemacht, als ich machen hätte müssen, weil ich mir gedacht habe, wenn ich jetzt fertig bin mit dem Studium, dann habe ich nie mehr die Möglichkeit, mich zum Beispiel mit Quanten-computern zu beschäftigen oder mit Biophotonen. Infolgedessen habe ich wie ein Schwamm alles aufgesaugt und mich unheimlich gefreut darüber, dass ich eben dieses Studium machen kann. Ich freu mich auch jetzt die ganze Zeit, dass ich für das, was ich mache, überhaupt Geld bekomme. Weil das einfach so schön ist und so eine Freude, mit den jungen Leuten das alles zu machen, diese motivierten Studierenden zu haben, diese weltumspannenden Kooperationsnetzwerke, diese Konferenzen, bei denen man sitzt und sich superschöne Sachen anhört oder selbst erzählt.

Welche Fähigkeiten haben Sie mitgebracht - was mussten Sie sich erarbeiten?

Was ich mir im Studium erarbeitet habe, kann ich nicht genau sagen. Was ich mir später erarbeitet habe, ist, dass ich draufgekommen bin – und das ist noch gar nicht so lange her – dass ich keine Einzelkämpferin sein muss. Ich habe mein Leben immer als Einzelkämpferin gelebt und immer gesagt, 'ich mache das und ich werde und ich tu' – Ich konnte überhaupt nicht delegieren, oder wollte nicht. Je länger ich aber bei der Geschichte dabei war, desto klarer ist mir geworden, dass man sich erstens einmal auf andere verlassen kann, sich auf andere verlassen muss – für die eigene geistige und seelische Gesundheit und dass das auch wichtig ist –  Netzwerke, Freundschaften, Vertrauen und ja, gemeinsam zu forschen und gemeinsam die Sachen weiterzubringen.

Welchen Rat würden Sie jungen Menschen, speziell Mädchen oder Frauen, mitgeben auf den Weg, wenn sie Physik studieren wollen?

Sie sollen es einfach machen. Sie sollen sich nicht einschüchtern lassen von irgendwelchen blöden Kommentaren und sich einfach auch untereinander stärken. Ich glaube, Mädels brauchen das einfach mehr, weil wir ein bisschen anders sozialisiert sind, aber das ist halt so. Ich will jetzt auch nicht aus allen Frauen bessere Männer machen, weil wir schon unsere eigenen Qualitäten haben, die wir nicht verlieren sollten. 

Ich nehme voller Freude viele von den angebotenen Frauenförderaktionen in Anspruch. Ich mache Seminare über Gehaltsverhandlungen und über Präsentationstechnik und über „wie mach ich ein gutes Poster“, „wie schreibe ich einen guten Artikel“. Ich mache das alles, weil ich denke, das ist ganz, ganz fein und wir brauchen dieses Empowerment als Frauen, weil wir das oft von zu Hause oder vom Umfeld nicht bekommen. Wenn es von außen nicht kommt, wenn es von den Eltern nicht kommt, muss es von uns selber kommen.

"Ich ganz persönlich"

Was mache ich, wenn ich Freizeit habe? Mit meinen Graupapageien spielen, mit meinen Ratten spielen, mit meinem Schatz die Welt diskutieren. Also, die Tiere kommen sehr viel vor. Zum Beispiel Kamelreiten, das mach ich bei einer Freundin von mir in Melk, ganz eine liebe - also von Melk zehn Minuten mit dem Auto, irgendwo rein ins Tal. Die hat ganz viele Kamele und da kann man wirklich reiten.

Dann gibt’s noch das Höhlenklettern, das Goldschmieden und natürlich noch meine Edelsteine, also Edelsteine sammle ich gerne. Da habe ich auch ganz seltene, welche, die sind hässlich und klein und kommen in Grönland auf 10 mal 15 Meter vor, unter vier Meter Eis. Die machen mir riesengroße Freude. Es gibt auch schöne Edelsteine und was mir ganz besonders gut gefällt und wovon ich viele, viele habe sind Opale. Also, diese Materialien, aus denen unsere Welt aufgebaut ist, die finde ich wunderschön

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Das Interview führte Bakk. Birgit Schörkhuber
Projektleitung: Mag. Helga Stadler

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