Ilse Fischer


Aktuelles Arbeitsgebiet:

Was ich nun schon längere Zeit mache, ist Abzählkombinatorik. Wie groß ist beispielsweise die Anzahl der möglichen Lottotipps bei "6 aus 45" oder wieviele Möglichkeiten gibt es im Wiener Straßennetz vom Schloß Schönbrunn zum Zentralfriedhof zu gelangen? In der Abzählkombinatorik geht es darum, Abzählformeln und Abzählverfahren zu entwickeln, um solche und schwierigere Fragen effizient beantworten zu können, ohne die Objekte tatsächlich naiv abzählen zu müssen. Im Moment schaue ich mir z. B. Kachelungen der Ebene mit Rhomben, also rhombus-tilings, an, oder auch andere Objekte, wie plane partitions oder alternierende Vorzeichenmatrizen. Die haben übrigens auch etwas mit  Physik zu tun, mit einem Modell für Eis.

Was ich daran so interessant finde, ist, dass wenn man sich irgendein x-beliebiges Abzählproblem stellt, dann gibt es meistens keine gute Antwort darauf, d.h. man kann keine geschlossene Abzählformel angeben. Aber dann gibt es auch ein paar Probleme,  bei denen sehr schöne Formeln herauskommen. Dahinterzukommen, wieso es bei einigen wenigen Problemen sehr schöne Formeln gibt, und wieso bei der großen Menge der anderen Probleme einfach keine schönen Abzählformeln herauskommen, das ist für mich der Reiz an dem Gebiet.


Wissenschaftliche Laufbahn:


Ilse Fischer und die Physik:

(Der folgende Text basiert auf einem Interview, das im Mai 2006 geführt wurde)

Wie sind Sie zur Mathematik gekommen?

So wie das wahrscheinlich bei den meisten ist: man ist in der Schule ganz gut und kommt so über das Erfolgserlebnis dazu. Dadurch dass mein Vater auch schon Mathematiker ist, habe ich Zugang zu Mathematikbüchern gehabt. Mich haben da immer diese einfach zu formulierenden, schwierig zu beweisenden Probleme interessiert. Und dann ist es natürlich so, dass Mathematik etwas ist, wo man alles selbst nachvollziehen kann. Man muss also niemandem etwas glauben, man kann im Prinzip alles selbst nachprüfen. Man braucht dazu nur Bleistift, Papier und vielleicht ein Buch oder den Schulunterricht, der eben auch Inspiration sein kann. Das hat mir gefallen, dass man Mathematik so autonom betreiben kann.

Ich habe eigentlich schon mit ca. 13 Jahren gewusst, dass ich Mathematik studieren möchte. Die Schule hat mir dabei schon Inspiration gegeben, ich habe mir dann aber auch immer Fragen über den Schulstoff hinaus gestellt. Das habe ich dann alles alleine gemacht. Ich habe mir auch sehr schwierige Probleme, wie die Goldbachvermutung angeschaut und gesehen, dass ich das jetzt nicht beweisen kann. Solche Erlebnisse haben mich auch motiviert, Mathematik zu studieren.

Das war eine relativ einsame Sache, obwohl ich meinen Vater schon fragen konnte, wenn mich etwas interessiert hat. Aber ich bin nicht zu Lehrern gegangen und habe die damit belästigt, ich habe das eher alleine gemacht.

 

Welche Fähigkeiten haben Sie mitgebracht - was mussten Sie sich erarbeiten?

Ich glaube, was ich gehabt habe, war sehr hohe Motivation. Ich habe mich hineinsteigern, mich ein paar Tage von allem fernhalten können. Was ich nicht gut konnte, ist, damit wieder aufzuhören. Das hat sich mittlerweile schon ein bisschen geändert. Irgendwann muss es ja auch funktionieren, den Alltag daneben zu erledigen.

Was ich auch ganz gut mache, ist, dass ich immer alles selbst nachvollziehen will. Es gibt für mich kaum Autoritäten, denen ich irgendetwas einfach so glaube. Ich meine damit, dass ich anderen Menschen schon Dinge glaube, wenn sie es sagen, aber im Prinzip möchte ich schon alles selbst nachvollziehen. Das war auch in meinem Studium so. Da hat es eben Professoren gegeben, die ab und zu etwas falsch gemacht haben und ich habe das dann gesehen und ausgebessert. Es hat aber auch Kollegen gegeben, die gesagt haben, dass das nicht sein kann. Das ist der Professor, der kann das nicht falsch gemacht haben.
Eine solche Einstellung kann sich meiner Meinung nach nachteilig auswirken.

 

Nach welchem Motto leben Sie?

Ich bin eher ein ausgleichender Mensch, ich suche also nicht den Konflikt. Das ist vielleicht etwas, das mich charakterisiert. Sonst eben auch noch diese Eigenschaft, dass ich alles in Frage stelle und dass ich alles selbst nachvollziehen möchte. Also so ein schönes Motto, was Lateinisches oder Griechisches, das gibt es für mich nicht.

 

Wie erging es Ihnen während des Studiums?

Bei mir war das ganz klar, dass ich Mathematik studieren werde. Es war dann nur noch die Frage, ob ich auf die TU oder auf die Uni gehe, und das war mehr eine Zufallsentscheidung, muss ich ehrlich zugeben. Es war auch so, dass mein Cousin ein Jahr zuvor auf der TU begonnen hat und da habe ich mir gedacht, dass ich einfach das andere probiere. Ganz am Anfang, im ersten Semester, habe ich überhaupt keine Ahnung gehabt, wie gut ich dabei bin, weil man da noch keine Prüfung gehabt hat. Ich bin dann also zur ersten Prüfung gegangen und hab mir danach gedacht, ich bekomme ein Nicht Genügend. Das war dann aber überhaupt nicht so. Ich habe mich am Anfang nicht einschätzen können.
Ich war dann auch in einer Gruppe, in der wir einander gegenseitig angetrieben haben, das war eine extreme Konkurrenzsituation. Es waren außer mir auch noch andere Mädchen dabei. Wenn einer ein Beispiel gelöst hat, dann wollte der nächste auch ein Beispiel so gut lösen. Ich finde es aber nicht gut, Mathematik zu betreiben, um besser zu sein als andere, das lehne ich eigentlich vollkommen ab. Es kann nicht ein Leben lang die Motivation für das Betreiben von Mathematik sein, anderen zu zeigen, dass man einfach gescheiter ist. Man soll eher Spaß am Abenteuer der Erkenntnis haben.

Mit Vorurteilen habe ich während des Studiums eigentlich nicht zu kämpfen gehabt. Ich fühle mich da nicht schlecht behandelt, aber es ist schon so, dass du als Frau immer eine andere Position hast, wenn du von lauter Männern umgeben bist. Du kriegst vielleicht mehr Aufmerksamkeit, wenn du eine Frau bist, manchmal fühle ich mich aber irgendwie so wie ein Pausenkasperl.

Ein konkretes Erlebnis, bei dem ein Mädchen beim Studium benachteiligt worden ist, habe ich nicht. Ich habe aber später bei manchen Stellenbesetzungen schon gesehen, dass Männer bevorzugt worden sind. Das hat mich anfangs überrascht, weil ich persönlich als Frau bei Stellenbesetzungen nicht benachteiligt wurde, aber ich habe dann echt manchmal erlebt, dass Frauen eine Stelle einfach nicht bekommen haben, obwohl sie meines Erachtens besser qualifiziert waren. Beim Studium ist es oft so, dass Männer mehr auffallen, einen stärkeren Geltungsdrang haben. Damit tun sie sich ein bisschen leichter, ich merke das auch selbst als Übungsleiterin. Frauen sind eher ein bisschen zurückhaltender.

 

Wie sind Sie zu Ihrem derzeitigen Arbeitsgebiet gekommen? Wie waren Ihre ersten Erfahrungen mit der Wissenschaft?

Es war so, dass ich wegen der Dissertation zuerst zu Professor Cigler gegangen bin, der mir dann Christian Krattenthaler als Betreuer empfohlen hat. Mich hat eigentlich zuerst am meisten die Zahlentheorie und die Algebra interessiert, aber wie das eben so ist, kriegt man dann eine Stelle auf irgendeinem gewissen Gebiet angeboten. So habe ich eine FWF - Stelle bei Christian Krattenthaler bekommen und deswegen habe ich dann Kombinatorik gemacht. Aber im Endeffekt glaube ich, dass das schon eine sehr gute Entscheidung war,  weil die Zahlentheorie und die Algebra Gebiete sind, in die man sich extrem lang einarbeiten und viel lesen muss. Man kann nicht sofort kreativ sein. Die Kombinatorik ist ein relativ junges Gebiet, da  kann man eigentlich sofort ein Problem bearbeiten  und kreativ sein. Das war dann sicher das Bessere für mich, für ewig langes Lesen hätte ich keine Geduld gehabt.

Wie ist Ihre wissenschaftliche Laufbahn weiter gegangen?

Das war auch ganz lustig, Prof. Krattenthaler hat mir ein Problem gestellt, das ich zunächst eigentlich nicht sehr spannend fand. Aber es war klar, dass man da innerhalb von ein paar Monaten einen Artikel schreiben kann. Das Problem zu lösen war dann eher langweilig, was aber auch wieder gut war, weil ich dann im Endeffekt eine mathematische Methode entwickeln wollte, die das alles viel einfacher macht. Also die ursprünglich komplizierte und schreckliche Lösung dieses Problems hat mich motiviert, etwas anderes zu entwickeln.

Es ist das eine Methode, die die Tatsache ausnützt, dass viele Abzählformeln Polynome sind. Ich habe sie deshalb auch die "polynomiale Methode" genannt. Und die kann man eben auch zur Lösung einiger anderer Probleme verwenden, was ich dann in meiner Habilitation gemacht habe.

Ich finde es wichtig, dass man sich erreichbare Ziele setzt. Mein  Ziel für die letzten Jahre war einfach einmal die Habilitation und damit dann erstmal zufrieden zu sein. Ich meine, wenn man irgendwo einmal Professorin wird, wär das sehr schön, aber die Habilitation war schon das wichtigste Ziel, weil man damit ja auch meistens eine unbefristete Stelle kriegt, obwohl die Zeiten diesbezüglich gerade eher schwierig sind. Die bisherige Laufbahn hat eigentlich schon sehr gut funktioniert, da bin ich schon sehr froh.

 

"Ich ganz persönlich"

Also ich gehe gerne skifahren, ich lese gern, ich gehe gern schwimmen. Da geht mir Kärtnen schon ab, da gibt’s ja den Wörthersee.
In der Wissenschaft ist es eben so, dass man auch leicht vereinsamen kann, jedenfalls versuche ich in meinem Privatleben schon viele soziale Kontakte zu pflegen, auch solche, bei denen man nicht immer über Mathematik reden muss. Ich finde meine Arbeit ziemlich anstrengend, sodass ich in meiner Freizeit nicht so extrem anspruchsvolle Dinge mache. Ich interessiere mich für Kunst und gehe ab und zu ins Theater und ins Kino.

Es ist so, dass man als Wissenschafterin die Möglichkeit hat, viel auf Reisen zu sein, das mache ich allerdings nicht gerne. Ich fahre aber oft nach Kärnten, das ist ja nicht so weit.

Ich bin kein aktives Mitglied einer Religionsgemeinschaft, aber meinen Glauben an das Gute im Menschen würde ich mit dem Glauben an Gott gleichsetzen. Ich bin kein sehr wissenschaftsgläubiger Mensch, der meint, dass man alles mit dem Verstand erfassen kann.

 

Welchen Rat würden Sie Mädchen oder Frauen mitgeben auf den Weg, wenn sie Mathematik studieren wollen?

Ich  würde es einfach tun, einfach hartnäckig sein. Wenn man sich als Frau irgendwie unwohl fühlt, dann sollte man versuchen, andere Frauen zu finden, mit denen man darüber reden kann und Netzwerke bilden kann. Gerade unter Studentinnen ist das glaube ich sehr hilfreich. Speziell für Mädchen ist es wichtig, den Mut zur eigenen Stärke zu haben, einfach lauter zu sein.
Ich finde es außerdem ganz gut, wenn man eben nicht so autoritätsgläubig ist, wenn man Dinge in Frage stellt, das ist sehr nützlich. Und ich finde es wie gesagt auch nicht gut, wenn man Mathematik deswegen macht, um besser zu sein als andere. Man soll Mathematik betreiben, weil es einem Spaß macht, in ein Axiomensystem wie die Mathematik einzutauchen. Es sollte einfach eine lustvolle Angelegenheit sein.

 


Das Interview führte Mag. Christoph Ableitinger
Projektleitung: Mag. Helga Stadler

Links:

Fakultät für Mathematik an der Universität Wien

Arbeitsgruppe "Kombinatorik"

e-mail an Ilse Fischer