Claudia Ambrosch-Draxl


Aktuelles Arbeitsgebiet:

Mein Arbeitsgebiet ist die theoretische Festkörperphysik, im Besonderen die Dichtefunktionaltheorie. Es geht zuerst darum, Formalismen zu entwickeln, die die parameterfreie Berechnung von bestimmten Festkörpereigenschaften erlauben, dann um die entsprechende Umsetzung in Computerprogramme und schließlich um die Anwendung dieser Computerprogramme auf verschiedenste Materialien, um damit physikalische Fragestellungen zu beantworten. Das Arbeitsgebiet verbindet somit die Mathematik mit Programmentwicklung und aktuellen Themen der Physik.
Die Anwendungsgebiete reichen von konventionellen und unkonventionellen, d.h. organischen Halbleitern bis zu Supraleitern. Während Elektronen und Gitterschwingungen bei den Supraleitern am interessantesten sind, stehen bei den organischen Molekülkristallen und Polymeren die optischen Eigenschaften im Vordergrund. Hier können die Methoden der Grundlagenforschung sogar zu anwendungsorientierten Themen beitragen.


Wissenschaftliche Laufbahn:


Claudia Ambrosch-Draxl und die Physik:

(Der folgende Text basiert auf einem Interview, das im Juli 2003 geführt wurde)

Wie sind Sie zur Physik gekommen?

Das ist eine gute Frage - ich kann sie noch immer nicht wirklich beantworten. Ursprünglich wollte ich Pilotin werden, aber Frauen wurden zur Ausbildung damals nicht aufgenommen. Gegen Ende des Gymnasiums war ich dann eher im Zwiespalt ob ich Musik, Mathematik oder Physik studieren sollte. Die Kombination von Musik mit einem der beiden anderen Fächer hätte wohl automatisch das Lehramt bedeutet. Ich habe die Aufnahmeprüfung für Musik an der Uni Wien gemacht (Erstinstrument Flöte), habe mich dann aber kurzfristig entschlossen, in Graz zu studieren, und damit ist eigentlich die Kombination Physik und Mathematik übriggeblieben. Vom Elternhaus wurden eher die musischen Fächer gefördert. Ich hatte im Alter von drei Jahren bereits Ballettunterricht; später spielte ich Musikinstrumente und sang bei einem Chor. Ich durfte aber in den Ferien auf unserer Almhütte regelmäßig mit Hammer, Zange und diversem anderem Werkzeug hantieren. Ich weiß nicht, ob das zum Interesse an der Physik beigetragen hat, aber zumindest dazu, etwas Praktisches zu tun.

Welche Fähigkeiten haben Sie mitgebracht - was mussten Sie sich erarbeiten?

Ich weiß nicht, ob man das Fähigkeit nennen kann, aber das Wichtigste für mich in der Wissenschaft ist, die Freude an einem Thema zu entwickeln, die Freude daran, etwas zu erforschen. Das Faszinierende an der Physik ist das Herausfinden der Zusammenhänge - also verschiedene Dinge zu beobachten und dann miteinander in Beziehung zu setzen. Je mehr ich mich mit einem Thema beschäftige, desto mehr macht es Spaß - ganz egal, was das eigentlich ist. Das ist auch unabhängig von der Physik.
Was mir zu Beginn meines Studiums nicht bewusst war, war die Tatsache, dass das, was ich in der Schule gelernt hatte, mit den aktuellen Themen der Physik eigentlich überhaupt nichts zu tun hat. Und ich glaube, das ging und geht vielen so. Die Themen, die jetzt wissenschaftlich bearbeitet werden, sind nicht die, die im Lehrbuch stehen.

Nach welchem Motto leben Sie?

Ich möchte einen Freund zitieren, dessen Motto ist "It´s your duty to enjoy life." Trotz vieler negativer Dinge, die uns natürlich über den Weg laufen, ist es wichtig, möglichst viel zu genießen. Ich versuche das, was ich tue, so zu gestalten, dass es angenehm ist.

Wie erging es Ihnen während des Studiums?

Ich habe am Anfang Mathematik und Physik studiert und damit die mathematischen Vorlesungen von zwei verschiedenen Seiten präsentiert bekommen. Das heißt, ich habe in der Mathematik die schöne reine Theorie gehört und dann in der Physik gelernt, wie man damit umgeht, wie man etwas ausrechnet. Die theoretische Physik war damit auch so etwas wie ein Kompromiss zwischen Mathematik und Physik.
Während des Studiums haben wir uns in einer kleinen Gruppe von Leuten zusammengefunden. Wir haben Praktika gemeinsam gemacht und Ergebnisse ausgetauscht. Ich habe auch öfter mit einer Kollegin für Prüfungen gelernt. Zum Schluss waren wir vielleicht noch 6 Leute, die im gleichen Semester das Studium abgeschlossen haben.

Wie sind Sie zu Ihrem derzeitigen Arbeitsgebiet gekommen? Wie waren Ihre ersten Erfahrungen mit der Wissenschaft?

Ich habe parallel zum Lehramtstudium Mathematik / Physik sämtliche Vorlesungen gehört, die für das Diplomstudium Physik nötig waren, und unter anderem auch Festkörperphysik. Diese hat mich besonders interessiert, und auf diesem Gebiet wollte ich meine Diplomarbeit machen. Ich habe dann den Vorschlag meines Betreuers gerne angenommen, gleich mit dem Doktoratstudium zu beginnen. Das Thema der Dissertation waren Halbleitersupergitter, also Schichtstrukturen aus verschiedenen Halbleitern, für die ich die elektronischen und optischen Eigenschaften berechnet habe.

Wie ist Ihre wissenschaftliche Laufbahn weiter gegangen?

Danach habe ich sowohl das Thema als auch die Methoden vollkommen gewechselt. Ich hatte mit dem Bescheid der Universität, dass ich sub auspiciis promovieren würde, ein Forschungsstipendium des Wissenschaftsministeriums in der Tasche. Mit diesem konnte ich mich überall in Österreich bewerben und bin schließlich in der Gruppe von Professor Schwarz an der TU Wien gelandet, wo ich 3 Jahre als Postdoc gearbeitet habe - zuerst eineinhalb Jahre mit dem Stipendium, und dann über eine vom FWF finanzierte Projektstelle. Dort habe ich einerseits die Dichtefunktionaltheorie, und andererseits auch die Materialien kennen gelernt - die Hochtemperatursupraleiter, mit denen ich mich im Wesentlichen jetzt noch beschäftige.
1990 habe ich von einer frei werdenden Assistentenstelle in Graz erfahren, auf die ich mich beworben habe. Die Aussicht auf eine Stelle, die permanent werden konnte, hat mir schon gefallen. Ich bekam zunächst, wie in dem Schema üblich, einen Vertrag für 4 Jahre. Danach habe ich mich habilitiert.
Nach Schweden - an die Universität Uppsala - bin ich zufällig gekommen. Ich war zu einem Vortrag bei einer Konferenz in Dänemark eingeladen. Prof. Johansson hat mich dort darauf angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, als Gastprofessorin nach Schweden zu kommen. Das habe ich mir dann zuhause durch den Kopf gehen lassen und schließlich flog ich für zwei mal zwei Monate - 1998 und 1999 - nach Schweden. Danach habe ich für das akademische Jahr 2000/2001 eine Professorinnenstelle vom schwedischen Nationalfond bekommen.
In der Zwischenzeit ist meine Gruppe in Graz immer größer und größer geworden. Wir sind jetzt ungefähr 10 Leute, ein gemischtes Team von Frauen und Männern aus verschiedensten Teilen der Welt. Ein wesentlicher Teil unserer Forschungstätigkeit wird vom FWF finanziert. Ich bin auch Koordinatorin eines EU - Research and Training Network, an dem 7 Gruppen beteiligt sind.

"Ich ganz persönlich"

Das Privatleben mit dem Beruf vereinbaren zu können, ist wichtig, auch wenn oder vielleicht gerade weil sich die beiden Dinge nicht vollständig voneinander trennen lassen. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass viele unserer Freunde Physiker sind. Mein Leben besteht aber nicht nur aus Projekten, Formeln und Computern, sondern auch darin, unser Haus zu renovieren, d.h. Böden zu verlegen, Wände abzuschlagen, Möbel zu entwerfen. Blumen und Garten sind auch ein wesentlicher Teil; viel Musik - zumindest hören, wenn schon nicht selbst spielen; viele Bücher - auch wenn die Zeit zum Lesen oft viel zu kurz ist; Reisen und Gespräche: am Abend irgendwo sitzen, ein Glas Wein trinken, stundenlang plaudern.

Welchen Rat würden Sie Mädchen oder Frauen mitgeben auf den Weg, wenn sie Physik studieren wollen?

Sie sollen ihren Weg gehen, sich nicht abschrecken lassen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Sie sollen berechtigte Kritik ernst nehmen, aber nicht alles persönlich nehmen. Letzteres ist ein Problem für viele Frauen. Auch wenn man angegriffen wird­ - was Frauen oft genug passiert - man darf sich das nicht zu nahe gehen lassen.


Das Interview führten Mag. Natascha Riahi und Mag. Katharina Durstberger
Projektleitung: Mag. Helga Stadler

Links:

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