Beatrix C. Hiesmayr


Aktuelles Arbeitsgebiet:

Im weitesten Sinn ist das Ziel meiner Arbeit, Verschränkungen (engl.: entanglement) von Teilchen zu verstehen. Was ist Verschränkung? Eine Quelle erzeugt zwei Teilchen, eines fliegt nach rechts zur Physikerin Alice, das andere nach links zum Physiker Bob. Nehmen wir an, dass die Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit fliegen, d.h. nach ihrer Trennung können die Teilchen nicht mehr miteinander "kommunizieren". Jetzt misst Alice eine Eigenschaft ihres Teilchens -z.B. ob es in einer bestimmten Richtung nach oben oder nach unten "schaut"- und Bob macht gleichfalls eine solche Messung. Später treffen sich Alice und Bob zum Kaffee und vergleichen ihre Daten. Haben die Beiden zufällig in die gleiche Richtung gemessen, stellen sie immer fest, dass, falls das eine Teilchen nach oben zeigt, dann zeigt das andere Teilchen immer nach unten und umgekehrt. Ja, und was ist daran so besonders? Nun, wenn ich jetzt behaupte, dass sich die Teilchen vorher, d.h. bei der Erzeugung, nicht "ausmachen" konnten, wer von beiden nach oben schaut, kommt man ein wenig in Erklärungsnot. Die einzige Lösung ist, dass offensichtlich diese zwei Teilchen, obwohl sie kilometerweit auseinander sein können, trotzdem noch verbunden (entangled) sind, d.h. sie sind ein nicht trennbares System. Ob sich Alice für die eine Richtung oder die andere Richtung entscheidet, beeinflusst das Messresultat von Bob's Teilchen. Einstein nannte dies verächtlich "spukhafte Fernwirkung".

Man sieht also an dieser sehr kurzen Darstellung, dass man es hier mit einem Phänomen zu tun hat, das mit den Erfahrungen aus unserer Alltagswelt nichts zu tun hat und unser ganzes Weltbild auf den Kopf stellt!

Im Bereich der Photonen (Lichtteilchen) ist schon viel erreicht worden, aber in der Teilchenphysik ist man erst am Beginn. Es ist zwar komplizierter, mit massiven Teilchen zu arbeiten, aber es tun sich dadurch auch mehr Möglichkeiten auf, auch ganz neue! Unter anderem konnten wir einen verwunderlichen Zusammenhang zwischen CP-Verletzung (tritt nur bei Kaonen und B-Mesonen auf) und Verschränkung herstellen!


Wissenschaftliche Laufbahn:


Beatrix C. Hiesmayr und die Physik:

(Der folgende Text basiert auf einem Interview, das im Mai 2002 geführt wurde)

Wie sind Sie zur Physik gekommen?

Das ist eigentlich eine lustige Geschichte. In der 5. Klasse wollten meine Freundin und ich ein Freifach besuchen. Wir hatten uns eigentlich für den Volleyball-Kurs entschieden, aber, nachdem wir erfahren hatten, dass unsere "Lieblings"-Lehrerin diesen Kurs hält, mussten wir uns etwas Anderes suchen. Physik-Olympiade war unsere zweite Wahl. Wir waren eine kleine Gruppe mit einer sehr engagierten Lehrerin und haben alles machen dürfen, was uns interessiert hat. Wir sind einfach ins Physikkammerl marschiert und haben die Dinge, die uns in die Finger gekommen sind, genauer unter die Lupe genommen. Wir haben zum Beispiel versucht, mit Magneten einen Laserstrahl abzulenken, ein sehr negativer Versuch! Falls wir eine Erklärung haben wollten, hat unsere Lehrerin, so gut sie konnte, geholfen. Mit der Zeit wurde ich immer interessierter und habe angefangen, in diese Richtung zu lesen. Natürlich haben wir auch Exkursionen gemacht, z.B. zum CERN oder nach München ins Deutsche Museum (absolut sehenswert).

Dadurch bin ich auf die Idee gekommen, Physik zu studieren. Medizin hat mich auch sehr interessiert - aber letztlich habe ich mich dann doch für die Physik entschieden. Das Faszinierende an der Physik ist für mich: Selbst etwas tun zu können, selbst auf Lösungen zu kommen, mit Ideen/Ansätzen/Modellen "spielen" zu können und sich aus all diesen Dingen ein Bild zu machen.

Nach der Diplomarbeit gab es dann noch so viele offene Fragen, dass ich nicht hätte aufhören wollen. Somit war für mich klar, dass ich auch noch eine Doktorarbeit schreibe. Die Entscheidung, als Physikerin weiter zu arbeiten, ist aber keine einfache. In der Theorie arbeitet man doch eher alleine, man muss auf alle Fälle etliche Lernjahre im Ausland verbringen. Leider ist es momentan fast unmöglich, irgendeine Anstellung auf der Universität zu bekommen. Neben der Tatsache, dass man nie planen kann, ob man nächstes Jahr noch Geld bekommt, sind die Zukunftsaussichten nicht gerade rosig, wenn man eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen will.

Ich selbst habe noch extrem viele Ideen, was mein Arbeitsgebiet betrifft, aber ob ich mich finanziell weiter über Wasser halten kann und ob ich mit der Unsicherheit zurechtkomme, weiß ich noch nicht.

Welche speziellen Fähigkeiten haben Sie Ihrer Meinung nach mitgebracht bzw. welche mussten Sie sich erarbeiten?

Was ich hauptsächlich dazugelernt habe, ist, dass das erste Bild, das man sich macht, nicht unbedingt das richtige und endgültige ist. Dass man immer offen bleiben muss für neue Erkenntnisse und damit "leider" auch sein mühsam errungenes Bild wieder abändern muss. Man muss viel Interesse für die Wissenschaft mitbringen. Man darf nicht schnell aufgeben, wenn manches einfach keinen Sinn ergibt. Es gibt Zeiten, in denen man überhaupt nichts mehr versteht oder wo man Dinge lernt, die für einen überhaupt keinen Sinn machen. Mittlerweile hab ich gelernt, dass das Verstehen nicht so absolut zu sehen ist und dass wir größtenteils - eigentlich von sehr vielen Dingen - auch nur Modelle haben und nicht die ultimative Theorie dafür. Ob wir das Gesamte, das Universum, dadurch je verstehen werden, wird die Zukunft zeigen!

Ich hab gelernt, dass Dinge, die man als klar bezeichnet, es manchmal doch nicht sind (auch für Universitätsprofessoren). Und das ist einerseits zwar deprimierend, aber andererseits ist es auch schön: Ich weiß, selbst, wenn ich mich mein Leben lang mit Physik beschäftige, ich werde nie alles verstehen können oder alles je erfassen können.

Wie erging es Ihnen während des Studiums?

Ich schätze an dem Studium hier in Wien, dass man die Vorlesungen fast frei zusammensetzen kann. Der Nachteil natürlich ist, dass man oft in Vorlesungen sitzt, zu denen einem die Grundlagen fehlen. Ich habe mich erst relativ kurz vor der Diplomarbeit für mein Spezialgebiet Quantenmechanik und Teilchenphysik entschieden. Von dem EPR-Paradox (Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon, Anm.), das wohl am Schönsten zeigt, wie "seltsam" die Quantentheorie ist, habe ich schon in der Schule gehört und es hat mich schon immer fasziniert.

"Ich ganz persönlich"

Mir ist es auch wichtig, mein Fachwissen an Nicht-Experten weiterzugeben, daher arbeite ich auch im Redaktionsteam der Webpage der Kern- und Teilchengruppe mit (www.teilchen.at), wo von neuester Physik für jedermann berichtet wird. Ich mache auch bei der Science Week und bei "University meets public" mit und bei Seminaren für die Schullehrer-Fortbildung.

Abgesehen von der Physik ist Sport für mich sehr wichtig. Ich spiele viel Volleyball, aber auch Badminton und von Zeit zu Zeit Tennis. Einen wichtigen Platz nimmt auch das Reisen ein. Dabei geht es am liebsten einfach mit Rucksack und Zelt ab durch die Wildnis, zum Beispiel nach Lappland.

Was würden Sie Jugendlichen, speziell Mädchen, raten, wenn sie Physik studieren möchten?

Ich würde Ihnen auf alle Fälle raten, sich nicht unterkriegen zu lassen und sich auch nicht allzu sehr beeinflussen zu lassen. Sie sollten schauen, dass Sie ihren eigenen Weg verfolgen und sich Zeit geben. Vor allem sollten sie versuchen, sich immer die Zeit zu nehmen, Sachen genauer anzuschauen und nicht gleich vor der Vielfalt aufzugeben.

Ich glaube, dass Frauen für Physik genauso geschaffen sind wie Männer. Frauen haben sicher andere Lösungsstrategien zu bieten als Männer, aber sie sind in der Regel nicht schlechter oder besser. Im Gegenteil, ich glaube, in der Physik - wie in vielen anderen Bereichen - ist es immer eine Bereicherung, wenn beide Geschlechter ihren Senf dazu geben.

In Österreich haben sich in der Physik hauptsächlich Männer durchgesetzt (in anderen Ländern ist das nicht unbedingt so). Aber ich hoffe, dass das nur eine Frage von ein paar Jahren ist.


Das Interview führten Mag. Natascha Riahi und Irene Brunner
Projektleitung: Mag. Helga Stadler

Links:

Publikationen:
http://lanl.arxiv.org oder www-spires.dur.ac.uk

Für eine Einführung für Nicht-Experten:
http://arxiv.org (Publ. im Buch " Quantum [Un]speakables", eds. Bertlmann und Zeilinger, Springer Verlag 2002)

e-mail an Beatrix C. Hiesmayr